Neuroblastom

Autor:  Dr. med. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 12.04.2005 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e2733

Krankheitsbild

Das Neuroblastom stellt 7-8 % aller Malignome im Kindesalter dar. In Deutschland erkranken pro Jahr ca. 130 Kinder. Dies entspricht einer Inzidenz von 1 Kind/100000. Das mittlere Alter zum Zeitpunkt der Diagnosestellung eines Neuroblastoms liegt bei 2 Jahren.

Lokalisation und Symptomatik

Neuroblastome entstehen aus primitiven sympathischen Zellen der Neuralleiste. Sie können daher vom Nebennierenmark, den sympathischen Ganglien oder anderem symphatischem Nervengewebe ausgehen. 50-70 % aller Neuroblastome sind intraabdominell lokalisiert, Erstsymptom ist meist der sicht-oder tastbare Tumor, der häufig im Rahmen von Routineuntersuchungen auffällt und sekundär zu Ernährungsstörungen, Erbrechen oder Enteritis ähnlichen Symptomen führen kann. Die vor allem bei Säuglingen auftretenden intrathorakalen oder mediastinale Tumoren manifestieren sich in Husten, dem Auftreten von Stridor und Dyspnoe bis hin zur Entwicklung eines Querschnittssyndroms.

Hinzu kommen Allgemeinsymptome wie Knochenschmerzen (sehr häufig), die zur Fehldiagnose einer rheumatischen Erkrankung oder Osteomyelitis führen können. Abgeschlagenheit und Fieber treten ebenfalls häufig auf. Als Zeichen der Metastasierung zeigen sich Blässe, Müdigkeit und Blutungen (Knochenmarkmetastasen), Knötchenbildungen der Haut (Hautmetastasen), eine Protrusio bulbi und Lidekchymosen (Orbitainfiltration).

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6 Monate alter Säugling mit Neuroblastom Stadium 4. Brillenhämatom und Exophthalmus bei Befall des Gesichtsschädels.

 

Diagnostik

Die Diagnostik eines Neuroblastoms erfolgt durch:

  • den lichtmikroskopischem Nachweis von Tumorzellen aus Tumorgewebe,
  • die Bestimmung erhöhter Konzentrationen von Katecholaminen bzw. deren Metaboliten im Urin,
  • den Nachweis von Tumorzellen im Knochenmark-Aspirat (in Nestern liegende, kleine blaue runde Zellen) und
  • die mIBG-Szintigraphie und die darin erkennbare spezifische Anreicherung des Radiopharmakons im Primärtumor und gegebenenfalls den Metastasen

Therapie

Lokalisierte Stadien (Stadien 1-3)

In diesen Stadien steht die Operation im Vordergrund kombiniert mit neoadjuvanter bzw. adjuvanter Chemotherapie. Die 5-Jahres Überlebensrate liegt bei ca. 80%. Prognostisch ungünstig sind Stadium 3, ein Alter >1 Jahr und das Vorliegen einer MYCN- Amplifikation.

Disseminiertes Stadium 4

Die Behandlung erfolgt mittels Kombination aus intensiver Chemotherapie und Operation sowie ggf. autologer Stammzelltransplantation und Radiotherapie gefolgt von einer Antikörpertherapie. Die 5-Jahres Überlebensrate liegt bei ca. 35%. Prognostisch ungünstig zeigen sich wiederum Alter >1 Jahr sowie Vorliegen einer MYCN-Amplifikation.

Sonderform Stadium 4S

Patienten, die dem Stadium 4S zugeordnet werden, müssen bei Erfüllung bestimmter Kriterien nicht behandelt sondern können klinisch beobachtet werden. In das Stadium 4S fallen Säuglinge mit lokalisiertem Primärtumor, Lebervergrößerung, Hautmetastasen und minimalem Knochenmarksbefall, die klinisch stabil sind. Zeigt der Tumor dann eine nicht bedrohliche Progression oder Regression sowie fehlende MYCN-Amplifikation ist eine Behandlung vorerst nicht erforderlich.

Fallbeispiele

Fallbeispiel: 11 Monate altes Mädchen

Diagnose(n): Neuroblastom

Anamnese

  • Seit einer Woche Verlust der motorischen Fähigkeiten und Fieber
  • Vorher sicherer Stand und freies Sitzen möglich, bei Diagnose deutlich eingeschränkt
  • Neurologisch schlaffe Paraparese der Beine, Reflexe nicht auslösbar

Diagnostik

  • MRT Wirbelsäule: Ausgedehnter Tumor rechts paravertebral mit Invasion in den knöchernen Spinalkanal und partieller Ummauerung des Myelons
  • Durchführung einer Probeexzision:Diagnose eines undifferenzierten Neuroblastoms
  • Staging:kein Nachweis von Metastasen oder MYCN-Amplifikation, daher Einstufung als Stadium 3 und Standardrisikopatient

Therapie

  • Behandlung mit vier Chemotherapieblöcken nach Protokoll und subtotaler Tumorresektion

Verlauf

  • Bereits nach einem Chemotherapiezyklus Rückgang der Parese, nach Therapieende neurologisch völlig unauffällig mit Wiedergewinn der verlorenen Fähigkeiten

Weiteres Vorgehen, Diskussion

  • Da der Tumorrest sehr klein ist und der Tumor hochdifferenziert ist, ist keine weitere Therapie erforderlich.