Spätfolgen der LCH

Dieser Text informiert über mögliche Spätfolgen der Langerhanszell-Histiozytose (LCH) und deren Behandlung.

Autor:  Dr. med. Anke Barnbrock, Prof. Dr. med. Thomas Lehrnbecher, Redaktion:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 15.03.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e273018

Eine Langerhanszell-Histiozytose (LCH) verläuft zwar meist komplikationslos, aber bei bis zu 30–40 % der Patienten kommt es auch zu bleibenden Schäden in verschiedenen Organen. Betroffen sind vor allem die Knochen, endokrine Drüsen wie die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse), das Gehirn sowie Lunge und Leber. Einige der Probleme können schon vor beziehungsweise zum Zeitpunkt der Diagnosestellung vorhanden sein, andere treten erst Jahre danach auf. Deshalb ist eine strukturierte Nachsorge der Patienten bis in das Erwachsenenalter hinein wichtig.

Zu den häufigsten Langzeitfolgen gehören Hormonausfälle, Hörschäden und orthopädische Probleme; wesentlich seltener sind dagegen Lungen- und Leberprobleme sowie Störungen des Gehirns (neurokognitive Probleme). Bei chronischen Organschäden sollten die jeweiligen Spezialisten kontaktiert werden.

Hormonausfälle durch Schädigung der Hypophyse

Je nachdem, in welchem Bereich die Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) geschädigt ist (Hinterlappen oder Vorderlappen), kann es zu unterschiedlichen Arten von Hormonstörungen und Hormonausfällen kommen:

  • Hypophysenhinterlappen: Der bei der LCH mit circa 11–35 % am häufigsten beobachtete Hormonausfall des Hypophysenhinterlappens betrifft das so genannte Antidiuretische Hormon (ADH) und führt zum Diabetes insipidus, einer Störung des Wasser-Elektrolyt-Haushalts durch übermäßiges Ausscheiden von Urin. Der Diabetes insipidus kann vor, während oder nach der LCH-Diagnosestellung entstehen und ist in der Regel irreversibel.
  • Hypophysenvorderlappen: Zu den (mit bis zu 10 % der Fälle) häufigen Hormonausfälle des Hypophysenvorderlappens zählt der Wachstumshormonmangel. Es kann jedoch auch zu einer verzögerten Pubertätsentwickung, selten auch zu einem Komplettausfall des Hypophysenvorderlappens kommen. In der Nachsorge sind daher regelmäßige Wachstums- und Gewichtskontrollen sowie eine Erhebung des Entwicklungsstatus (beziehungsweise Pubertätsstatus) von entscheidender Bedeutung für die Erkennung und rechtzeitige Behandlung der Ausfälle.

Schädigung der Knochen

Während Krankheitsherde im Bereich des Schädelknochens und der Röhrenknochen der Arme und Beine meist ohne Folgen heilen, kann es bei Wirbelkörperbefall zum Auftreten einer Skoliose und/oder Kyphose kommen. Um solchen Spätfolgen entgegenzuwirken, sollte, gemeinsam mit Orthopäden und Physiotherapeuten, die Notwendigkeit von Präventivmaßnahmen (zum Beispiel orthopädisches Korsett, Halskrause, Physiotherapie/Heilgymnastik zur Stärkung der Rückenmuskulatur) geprüft werden.

Schädigung von Ohren / Kiefer / Zahnfleisch

Bei Patienten, bei denen das Mittel- oder Innenohr und/oder das Schläfenbein beteiligt ist, sind regelmäßige Hörtests bis zur endgültigen Heilung der Erkrankung angezeigt. Die Früherkennung erlaubt den rechtzeitigen Einsatz von Hilfsmitteln und kann eine mögliche Verschlechterung des Befundes verhindern.

Patienten mit Befall des Kiefers und des Zahnfleisches müssen sorgfältig im Hinblick auf die Zahnentwicklung beobachtet werden. Die Mitbeurteilung durch einen Kieferorthopäden/Zahnarzt ist bei diesen Patienten sinnvoll.

Schädigung des Zentralnervensystems (Gehirn/Rückenmark)

Patienten mit einer Multisystem-LCH weisen ein erhöhtes Risiko für die Entwicklung neurologischer Spätschäden („neurodegenerative LCH“) auf. Typische Symptome sind Gleichgewichtsstörungen, Artikulationsstörungen oder Konzentrationsschwierigkeiten (unter anderem mit der Folge von Lernschwierigkeiten). Die Anzeichen der neurodegenerativen LCH beginnen meist langsam, können jedoch im Verlauf rasch zunehmen und bis hin zu einer spastischen Lähmung reichen [siehe spastische Lähmung].

Nicht jeder Patient, der anhand bildgebender Verfahren die typischen Veränderungen einer neurodegenerativen LCH zeigt, entwickelt im weiteren Verlauf auch klinische, das heißt, von außen wahrnehmbare, Symptome. Um klinisch nicht oder schwer erkennbare (subklinische) Veränderungen frühzeitig zu erfassen, wird die regelmäßige Durchführung bildgebender Verfahren (wie die Magnetresonanztomographie, MRT) zusammen mit neurophysiologischen und neuropsychologischen Untersuchungen empfohlen [siehe Neurophysiologie, Neuropsychologie].

Literaturliste

  1. Lehrnbecher T, Minkov M: Leitlinie 025/015 - Langerhanszell-Histiozytose (LCH) im Kindes- und Jugendalter. S1-Leitlinie (Handlungsempfehlung) der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie und Hämatologie und der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin AWMF online 2023 [URI: https://register.awmf.org/ assets/ guidelines/ 025-015l_S1_Langerhanszell-Histiozytose-LCH-Kinder-Jugendliche_2023-05.pdf] LEH2023a
  2. Erdmann F, Kaatsch P, Grabow D, Spix C: German Childhood Cancer Registry - Annual Report 2019 (1980-2018). Institute of Medical Biostatistics, Epidemiology and Informatics (IMBEI) at the University Medical Center of the Johannes Gutenberg University Mainz 2020 [URI: https://www.kinderkrebsregister.de/ typo3temp/ secure_downloads/ 42507/ 0/ 1c5976c2ab8af5b6b388149df7182582a4cd6a39/ Buch_DKKR_Jahresbericht_2019_komplett.pdf] ERD2020
  3. Lehrnbecher T, Minkov M: Histiozytosen inkl. Langerhans-Zell-Histiozytose. In: Niemeyer C, Eggert A (Hrsg.): Pädiatrische Hämatologie und Onkologie, Springer-Verlag GmbH Deutschland, 2. vollständig überarbeitete Auflage 2018, 94 [ISBN: 978-3-662-43685-1] LEH2018a