Wann ist eine Stammzelltransplantation angezeigt?
Bei Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter dient die Blutstammzelltransplantation entweder der Behandlung der Grunderkrankung oder dem Ersatz von Knochenmark nach einer knochenmarkzerstörenden Behandlung (Hochdosis-Chemotherapie). In diesem Kapitel erhalten Sie Informationen zu den Indikationen für eine STZ.
Autor: Dr. med. Gesche Riabowol née Tallen, Dr. med. Jörn Kühl, Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: PD Dr. med. S. Voigt, Zuletzt geändert: 02.05.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e4965
Inhaltsverzeichnis
Es gibt zwei unterschiedliche Gründe (Indikationen), eine Blutstammzelltransplantation (auch hämatopoetische Stammzelltransplantation, HSZT, SZT) durchzuführen: Zum einen kann man krankes oder inaktives Knochenmark durch gesundes ersetzen, also eine Organtransplantation im eigentlichen Sinne durchführen. Zum anderen kann Knochenmark ersetzt werden, das infolge einer Behandlung wie der Chemo- oder Strahlentherapie zerstört wurde.
Da eine Blutstammzelltransplantation trotz der großen Fortschritte, die in den vergangenen Jahren erzielt wurden, noch immer mit erheblichen Risiken und Spätfolgen verbunden ist, werden die behandelnden Ärzte und das Transplantationsteam sich nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen für diesen Behandlungsweg entscheiden:
- Im Falle einer Krebserkrankung wird eine Stammzelltransplantation in der Regel nur dann durchgeführt, wenn die Wahrscheinlichkeit, an der Krankheit zu sterben, größer ist als die Risiken einer Transplantation.
- Bei nicht unmittelbar tödlichen Krankheiten (zum Beispiel bei nicht-bösartigen angeborenen oder erworbenen Blutkrankheiten) kann eine Stammzelltransplantation dann in Frage kommen, wenn ohne diese Behandlung die Erkrankung zu zunehmend schweren Leiden mit lebensbedrohlichen Folgen führt.
Eine Stammzelltransplantation stellt für die Kinder und ihre Angehörigen einen schweren Weg dar. Die Therapie kann jedoch eine Chance sein, von der lebensbedrohlichen Krankheit geheilt zu werden und ein neues Leben ohne Krankheit zu beginnen.
Behandlung der Grunderkrankung
Oftmals sind Blutstammzellen „krank“. Das heißt, dass eine Blutzellreihe oder mehrere Blutzellreihen nicht richtig gebildet werden oder dass das Knochenmark so stark von bösartigen Zellen durchsetzt ist, dass man nicht mehr zwischen „gesunden“ und „kranken“ Blutstammzellen unterscheiden kann.
In solchen Fällen muss man Stammzellen eines anderen, gesunden Menschen (verwandter oder unverwandter Spender) transplantieren (so genannte allogene Stammzelltransplantation). Die Blutstammzelltransplantation dient dabei der Behandlung der Grunderkrankung, denn die fremden Blutstammzellen sollen die eigenen "kranken" oder fehlenden ersetzen. Man kann dies mit einer Organtransplantation wie der Nieren- oder Lebertransplantation vergleichen.
Eine Erkrankung der Blutstammzellen beziehungsweise des blutbildenden Systems im Knochenmark, wie sie hier beschrieben ist, liegt zum Beispiel bei den akuten Leukämien und bestimmten Non-Hodgkin-Lymphomen vor, darüber hinaus aber auch bei vielen – angeborenen und erworbenen – nicht bösartigen Blutkrankheiten (wie Sichelzellkrankheit, Beta-Thalassämie oder schwere aplastische Anämie, SAA) und Störungen des Immun- oder Gerinnungssystems.
Ersatz von zerstörtem Knochenmark
Bei Kindern und Jugendlichen mit bestimmten Krebserkrankungen sind für den Behandlungserfolg oftmals kräftige Dosissteigerungen der Chemotherapie (in Form einer Hochdosis-Chemotherapie) und zum Teil auch der Strahlentherapie notwendig. Diese führen aber gleichzeitig auch zur Zerstörung des blutbildenden Systems im Knochenmark, so dass die lebensnotwendigen Blutzellen nicht mehr gebildet werden können. Auch in diesen Fällen ist eine hämatopoetische Stammzelltransplantation angezeigt.
Da das Knochenmark des Patienten an sich gesund ist, können dafür allerdings seine eigenen Stammzellen verwendet werden. Dazu entnimmt man dem Patienten noch vor Beginn der Hochdosistherapie Blutstammzellen, lagert sie zwischendurch ein und gibt sie ihm nach Abschluss dieser Behandlung zurück (so genannte autologe Stammzelltransplantation. Es handelt sich hier also nicht im eigentlichen Sinne um eine Transplantation, sondern um eine „Reinfundation“, also Rückübertragung der eigenen Zellen.
Die Stammzelltransplantation stellt iin diesem Fall auch nicht die Therapie der Grunderkrankung dar; sie ist vielmehr ein Verfahren, um Knochenmark zu ersetzen und dadurch ein intensiveres Vorgehen mit Behandlungsformen wie der Chemo- oder Strahlentherapie zu ermöglichen.
Die hier beschriebene autologe Stammzelltransplantation kommt beispielsweise beim Hodgkin-Lymphom und manchen soliden Tumoren zum Einsatz.
Indikationsstellung
Bevor eine hämatopoetische Stammzelltransplantation (HSZT) durchgeführt wird, muss erstens geklärt sein, ob sie überhaupt angezeigt (indiziert) ist und zweitens, welche Form der Stammzelltransplantation bei dem betroffenen Patienten in Frage kommt (autolog oder allogen, nur HLA-identisch oder auch nicht HLA-identisch).
Fortschritte, die sowohl die herkömmlichen Behandlungsmöglichkeiten als auch die Transplantationsmedizin betreffen, werden diese schwierigen Fragestellungen stets beeinflussen. Da eine Stammzelltransplantation sehr aufwändig ist und außerdem mit Komplikationen verbunden sein kann, wird in der Regel gefordert, dass das zu erwartende Ergebnis der Transplantation in irgendeiner Form besser ist als das der wirksamsten herkömmlichen Therapie.
Die Studienzentralen, die die Behandlungspläne im Rahmen ihrer Therapiestudien erstellen, werten zu diesem Zweck fortwährend die Ergebnisse der laufenden und vorangegangenen Therapiestudien aus und vergleichen den Behandlungserfolg der Transplantation mit dem anderer Therapieformen. Die Ergebnisse wirken sich wiederum unmittelbar auf die zukünftigen Behandlungsempfehlungen aus.
Vorgaben des Therapieplans
Empfehlungen dazu, ob bei einer bestimmten Erkrankung oder während eines bestimmten Krankheitsstadiums eine Stammzelltransplantation als mögliche Behandlungsform in Frage kommt, finden sich zunächst im Therapieplan (Therapieprotokoll), nach dem Ihr Kind behandelt wird.
Ob letztlich tatsächlich eine Stammzelltransplantation durchgeführt wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, unter anderem von der Verfügbarkeit eines passenden Spenders und dem Allgemeinzustand des Patienten. Die behandelnden Ärzte berücksichtigen diese und weitere Bedingungen bei Ihrer Entscheidung. Selbstverständlich müssen auch der Patient und/oder seine Angehörigen mit der Behandlung einverstanden sein.
Bei Krebserkrankungen wie den Leukämien wird eine Stammzelltransplantation meist nach gemeinsam erstellten, schriftlich fixierten, standardisierten Therapieplänen (Therapieprotokollen) durchgeführt. Dies kann, muss aber nicht, im Rahmen einer Therapieoptimierungsstudie erfolgen. Trotz aller "Standardisierung" wird jedoch jede Entscheidung ganz individuell auf die jeweilige Situation und Krankheitsgeschichte des einzelnen Patienten abgestimmt.
Gut zu wissen: Die Transplantationseinrichtung überprüft grundsätzlich vor der Durchführung einer Stammzelltransplantation noch ein weiteres Mal, ob für diese Behandlung eine Indikation besteht. Sie koordiniert außerdem die vorausgehenden Untersuchungen sowie die vorbereitende Behandlung (Konditionierung), die Stammzellentnahme und die Transplantationsnachsorge.