Spendersuche (HLA-Typisierung)

Autor:  Dr. med. Gesche Riabowol née Tallen, Maria Yiallouros, Redaktion:  Maria Yiallouros, Freigabe:  Dr. med. Jörn Kühl, Zuletzt geändert: 19.06.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e76588

Während bei einer autologen Stammzelltransplantation der Patient die eigenen Blutstammzellen wieder zurückübertragen erhält, werden ihm bei einer allogenen Transplantation die Stammzellen von einem verwandten oder nicht verwandten Spender (Familien- beziehungsweise Fremdspender) transplantiert [MUE2013d].

Jeder Mensch hat andere Eigenschaften, darunter auch andere Gewebemerkmale auf seinen weißen Blutkörperchen (Leukozyten), es sei denn, es handelt sich um einen eineiigen Zwilling. Wie wir wissen, kann fremdes Gewebe oder ein fremdes Organ (zum Beispiel eine Niere) durch das körpereigene Abwehrsystem des Empfängers abgestoßen werden (Empfänger-gegen-Spender-Reaktion). Umgekehrt kann das Transplantat (hier die Stammzellen) eines Spenders auch die Körperzellen des Empfängers als "fremd" erkennen und dagegen reagieren (Transplantat-gegen-Empfänger-Reaktion, auch Spender-gegen-Empfänger-Reaktion genannt).

Um solchen Abstoßungsreaktionen vorzubeugen, wäre der optimal "passende" Spender für eine allogene Stammzelltransplantation also die Person, deren Leukozytenmerkmale oder "HLA-Merkmale" mit denen des Patienten absolut identisch sind.

Hinweis: Es gibt allerdings auch Situationen, in denen eine gewisse Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion erwünscht ist, weil diese sich auch gegen im Körper verbliebene Krebszellen richtet. Das gilt zum Beispiel für akute Leukämien. Um diese Spender-gegen-Leukämie-Reaktion (oder Transplantat-gegen-Leukämie-Reaktion) zu nutzen, dürfen die HLA-Merkmale des Spenders nicht völlig mit denen des Empfängers identisch sein. Dies wäre allerdings nur bei einem Zwilling der Fall (mehr dazu im Anschluss).

Familienspender

Im Idealfall ist der Spender – mit Ausnahme der oben beschriebenen Situation – also ein eineiiger Zwilling, der die gleichen Gene und somit auch die gleichen Gewebemerkmale wie der Patient aufweist (siehe auch Abschnitt zur syngenen Transplantation). Aufgrund der Seltenheit (Häufigkeit 1:89) spielen HLA-identische Zwillinge als Stammzellspender jedoch eine untergeordnete Rolle.

Da aber die HLA-Merkmale je zur Hälfte von beiden Eltern vererbt werden, besteht auch bei jedem anderen Geschwister eine 25-prozentige Chance, dass es mit dem Patienten in den HLA-Merkmalen übereinstimmt, das heißt HLA-identisch ist. In seltenen Fällen und wenn die Eltern des Patienten miteinander verwandt sind, besteht die Möglichkeit, dass Personen aus dem engeren Familienkreis HLA-identisch sind. Ihr Arzt kann einen Stammbaum anlegen und die Möglichkeit für das Identifizieren eines passenden Familienspenders mit Ihnen besprechen.

Sollte kein passender Geschwister- oder Familienspender zur Verfügung stehen, kann man in einer weltweiten Datei nach einem passenden, unverwandten Spender suchen (siehe unten). In Europa ist die Spendenbereitschaft sehr hoch und viele Menschen sind, auch dank des Engagements der deutschen Spenderdateien, in den Registern registriert.

Gut zu wissen: Ein passender Spender aus der Familie wird auch als "Matched-Related Donor" (kurz: MRD) bezeichnet. Handelt es sich dabei um ein Geschwister, spricht man auch von "Matched-Sibling Donor" (kurz: MSD). Ein nur teilweise passender Familienspender wird "Mismatched-Related Donor“ (MMRD) genannt. Dies wäre zum Beispiel ein haploidentischer Elternteil als Spender. Ein passender Spender, der nicht aus der Familie kommt (so genannter Fremdspender), wird als Matched-Unrelated Donor (MUD) bezeichnet (siehe unten).

Unverwandter Spender ("Fremdspender")

Wenn kein passender verwandter Spender im Familienkreis zu finden ist und, aufgrund der Schwere der Erkrankung, auch eine Stammzelltransplantation von einem Fremdspender in Frage kommt, wird das Transplantationsteam Ihres Kindes in nationalen und internationalen Spenderdatenbanken nach nicht verwandten, freiwilligen Spendern ("Fremdspendern") mit weitgehend identischen Gewebemerkmalen suchen. Da der nicht verwandte Spender nie komplett "identisch" sein kann, spricht man in diesem Zusammenhang von HLA-verträglich oder HLA-kompatibel (auch Matched-Unrelated Donor, kurz: MUD).

Wie hoch die Erfolgschancen sind, einen passenden Fremdspender zu finden, hängt vom ethnischen Hintergrund ab. Bei Patienten mit einem europäisch-kaukasischen Hintergrund beträgt die Aussicht auf einen geeigneten Spender circa 80 %. Bei Menschen mit asiatischem oder afrikanischem Hintergrund ist die Chance, einen passenden Fremdspender zu finden, deutlich geringer.

Die Fremdspendersuche, der eventuell notwendige Transport des Transplantats, die Koordination des zeitlichen Ablaufs der Stammzellgewinnung mit dem Transplantationsteam des Empfängers bis hin zur Durchführung der Transplantation ist eine verantwortungsvolle und zeitaufwändige Tätigkeit, die in ihrem Ablauf mit dem "Countdown" eines Raketenstarts zu vergleichen ist. In den meisten Transplantationszentren ist damit ein professioneller Transplantations-Koordinator in Zusammenarbeit mit der so genannten Fremdspendersucheinheit beauftragt.

Haploidenter Spender

Bei einer haploidenten oder haploidentischen Stammzelltransplantation fungiert in der Regel ein Elternteil als Spender. Charakteristisch für diese Art der Stammzelltransplantation ist, dass nur die Hälfte der HLA-Merkmale übereinstimmen („haplo“ bedeutet „halb“), da jeweils ein Elternteil die Hälfte der Gene an das Kind weitergegeben hat. Durch bestimmte Verfahren, die man im Rahmen der Transplantation mit den Stammzellen durchführt, oder durch spezielle Konditionierungsprotokolle, kann man erreichen, dass dieses nur 50-prozentig passende Transplantat vom Empfänger angenommen wird.

Eine solche Transplantation ist mit einem höheren Risiko für eine Abstoßung und weiteren transplantationsbedingten Komplikationen verbunden. Sie kann aber dann in Frage kommen, wenn weder ein HLA-identischer Geschwisterspender noch ein passender Fremdspender vorhanden ist, jedoch eine Transplantation zur Behandlung der Erkrankung unbedingt erforderlich ist.

Nicht in allen Kliniken werden haploidentische Stammzelltransplantationen durchgeführt. Je nach Grunderkrankung und weiteren Umständen wird das behandelnde Ärzteteam die Indikation für eine haploidente Stammzelltransplantation stellen und den Kontakt zu einem Stammzelltransplantationszentrum herstellen, welches diese Art der Transplantation durchführt.

Prioritäten bei der Spendersuche

Die Prioritäten bei der Spendersuche sind wie folgt:

1. Wahl: HLA-identische Geschwister
2. Wahl: HLA-identische Fremdspender
3. Wahl: teilweise passender Familienspender (zum Beispiel haploidentische SZT): Diese Art der Transplantation muss noch als experimentelle Therapie angesehen werden.

Gut zu wissen: Die Transplantationsergebnisse sind, wenn ein passender Fremdspender gefunden wird, heute vergleichbar mit den Ergebnissen, die mit einem passenden Geschwisterspender erzielt werden. Eine nicht HLA-kompatible (HLA-differente) Stammzelltransplantation hingegen ist immer mit höheren Risiken verbunden, unabhängig davon, ob es sich um einen verwandten oder unverwandten Spender handelt. Aus diesem Grund wird eine HLA-differente Transplantation nicht bei allen Erkrankungen beziehungsweise Krankheitsstadien durchgeführt, bei denen eine allogene Stammzelltransplantation im Prinzip sinnvoll wäre.

HLA-Typisierung

Die Bestimmung der individuellen Leukozytenmerkmale HLA-Merkmale nennt man HLA-Typisierung. Hierzu wird im Labor nach einer Blutentnahme von Spender und Empfänger das Muster der einzelnen Leukozyten-Antigene an verschiedenen Stellen auf der Oberfläche der weißen Blutzellen untersucht. Dies geschieht heutzutage mit hochempfindlichen Verfahren fast ausschließlich auf Genebene („molekulargenetische DNA-Typisierung“).