Ernährungsprobleme
Autor: Dr. med. Gesche Riabowol (nee Tallen), Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: Prof. Dr. med. U. Creutzig, Zuletzt geändert: 15.02.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e172511
Viele Patienten können infolge ihres Krebsleidens Stoffwechselstörungen entwickeln, die zu Abmagerung und Auszehrung (Kachexie) führen. Darüber hinaus haben Kinder und Jugendliche mit fortgeschrittener Krebserkrankung in der Regel zunehmend Ernährungsschwierigkeiten. Häufig gehen diese mit Schluckbeschwerden, Appetitlosigkeit (Anorexie) und Gewichtsverlust einher.
Ursachen von Ernährungsproblemen
Die Ursachen einer tumorbedingten Abmagerung (Tumor-Kachexie) sind komplex und bisher nur teilweise geklärt. Man weiß allerdings, dass bestimmte Stoffwechselprodukte des Tumors sowie spezielle Botenstoffe, die infolge der Krebserkrankung vom Körper der Patienten gebildet und freigesetzt werden, bei der Entwicklung einer Kachexie eine wichtige Rolle spielen. Darüber hinaus können auch weitere Faktoren zu Appetitverlust und Ernährungsschwierigkeiten der Patienten führen, zum Beispiel:
- Schmerzen (siehe Kapitel „Schmerzen“)
- Verdauungsstörungen (siehe Kapitel „Verdauungsstörungen“)
- Übelkeit und Erbrechen (siehe Kapitel „Übelkeit und Erbrechen“)
- psychologische Faktoren (wie Angst und/oder Depressionen; siehe Kapitel „Angst“, „Depressionen“)
- Mattigkeit (Fatigue; siehe Kapitel „Fatigue“)
- Infektionen im Mund- und Rachenbereich oder im Magen-Darm-Trakt
- Nebenwirkungen von Behandlungen (zum Beispiel Antibiotika- oder Chemotherapie).
Behandlung von Ernährungsproblemen
Das starke Bedürfnis der Eltern, ihr krankes Kind zu ernähren, wird vom Palliativteam ernst genommen. Deshalb gehören Beratung und Unterstützung bei Ernährungsproblemen zu einer umfassenden palliativen Versorgung. Der Schwerpunkt liegt dabei auf der Lebensqualität des Patienten. Diese muss allerdings – aus der Sicht des Patienten – nicht unbedingt gleichbedeutend sein mit „Gewicht halten“ oder gar "an Gewicht zunehmen".
Wichtig zu wissen: Viele Kinder und Jugendliche zeigen in der Lebensendphase nur wenig oder kein Interesse an (fester) Nahrung. Aus der Sicht des Patienten muss diese Appetitlosigkeit jedoch nicht eine Verminderung seiner Lebensqualität bedeuten.
Eine Behandlung, die die Ursachen einer tumorbedingten Abmagerung beheben kann, gibt es derzeit noch nicht. Andere Ursachen von Ernährungsproblemen (siehe Kapitel „Ursachen von Ernährungsproblemen“) wird das Ärzteteam vor Beginn einer Behandlung überprüfen.
Allgemeine, unspezifische Maßnahmen
Unabhängig davon, auf welcher Ursache die Ernährungsprobleme beruhen, können folgende Maßnahmen für eine Verbesserung von Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme hilfreich sein:
- Vermeidung/Entfernung unliebsamer Gerüche
- Berücksichtigung der Wünsche des Patienten („Lieblingsgerichte“ anbieten)
- häufiges Anbieten kleiner Mahlzeiten
- Schaffung einer angenehmen Umgebung
Behandlung mit Medikamenten
Es gibt Medikamente, die über die Beeinflussung des Fett- und/oder Zuckerstoffwechsels oder mittels Stimmungsaufhellung eine Appetitsteigerung und Gewichtszunahme bewirken können. Zu diesen Medikamenten gehören:
- Steroidhormone (zum Beispiel Glukokortikoide oder Gestagene)
- Cannabinoide
Wichtig zu wissen: Eine Behandlung mit Steroidhormonen kann mit schweren unerwünschten Nebenwirkungen einhergehen (zum Beispiel Störungen des Mineral- und/oder Zuckerstoffwechsels). Außerdem bedeutet „Gewichtszunahme“ nicht unbedingt „bessere Lebensqualität“ für den Patienten. Daher sollte nur gemeinsam mit dem zuständigen Arzt und bezogen auf die individuelle Situation des Patienten entschieden werden, ob eine medikamentöse Behandlung der Ernährungsprobleme angezeigt ist und – wenn ja – welcher Art, in welcher Dosierung und wie lange.
Weitere Maßnahmen
Bei manchen palliativ versorgten Kindern und Jugendlichen kann eine zeitweilige Nahrungs- und Flüssigkeitsversorgung über eine Magensonde (sogenannte enterale Ernährung) oder intravenös (parenterale Ernährung) sinnvoll sein. Auf diese Weise kann die Ernährbarkeit des Patienten für eine gewisse Zeit erleichtert werden.
Beide Formen der Ernährung können, besonders in den letzten Lebenswochen krebskranker Kinder und Jugendlicher, zwar einerseits zahlreiche Probleme und Nebenwirkungen auslösen, die die Lebensqualität der Betroffenen stark einschränken. Andererseits gibt es jedoch auch viele pädiatrische Palliativpatienten, die durchaus noch in den letzten Lebenstagen von einer enteralen oder parenteralen Ernährung profitieren.
Folgende Beschwerden können mit einer künstlichen Ernährung einhergehen:
- Unbehagen (zum Beispiel durch die Magensonde oder bewegungseinschränkende intravenöse Zugänge)
- Lungenentzündung durch versehentlich (zum Beispiel aufgrund von Schluckbeschwerden oder Schluckstörungen) verschluckte Nahrung (sogenannte Aspirationspneumonie)
- Wassereinlagerungen in Bauchraum (Aszites), Gehirn (Hirnödem), Herzbeutel (Perikarderguss) oder Lunge (Lungenödem)
- Übelkeit und Erbrechen
- Flüssigkeits- und Elektrolytschwankungen
- Infektionen (zum Beispiel im Bereich des intravenösen Zugangs)
Gut zu wissen: Regelmäßiges Anfeuchten von Lippen und Mund des Patienten verhindert ein unangenehmes Austrocknen des Mundraumes, ganz besonders, wenn dieser selbst keine Flüssigkeit mehr zu sich nehmen kann. Auch durch dieses regelmäßige Anfeuchten können die Patienten beachtliche Mengen an Flüssigkeit aufnehmen. Gleichzeitig bietet das Sich-Hinsetzen und Mund-Befeuchten zusätzliche gemeinsame Momente zwischen Patienten und Angehörigen.