Fachlicher Hintergrund psychosozialer Versorgung in der pädiatrischen Onkologie/ Hämatologie
Autor: Iris Lein-Köhler, Barbara Grießmeier, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Freigabe: Fachgruppe Qualitätssicherung der PSAPOH, Zuletzt geändert: 06.11.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e269577
Bei der Behandlung von an Krebs erkrankten Kindern und Jugendlichen konnten seit Mitte der 1970er Jahre beispiellose medizinische Erfolge erzielt werden: Infolge der Einführung klinikübergreifender Therapieoptimierungsstudien verbesserten sich Behandlungsmöglichkeiten und Heilungschancen erheblich. So wird im Jahresbericht 2019 des Deutschen Kinderkrebsregisters prognostiziert, dass 82 % der krebskranken Kinder und Jugendlichen ihre Erkrankung mindestens 15 Jahre überleben.
Die Behandlungserfolge führten nicht nur zu besseren Überlebenschancen, sondern auch zur Verlängerung der Zeit körperlicher, emotionaler, sozialer, ökonomischer und organisatorischer Belastungen für die Familien. Pädiatrische OnkologInnen, Krankenpflegepersonal und Eltern erkrankter Kinder/Jugendlichen erkannten früh, dass die Familien professionelle Hilfe und Unterstützung benötigen.
Die Erkenntnisse darüber, was schwerkranke Kinder/Jugendliche und ihre Familien leisten und an Unterstützung brauchen, sind enorm gewachsen. Seit sich die gesamtgesellschaftliche Sicht auf Familien und die Bedürfnisse von Kindern/Jugendlichen verändert hat (Kinderrechte, Kinderschutz) findet dies auch in Abläufen und Ausstattung von Kliniken Berücksichtigung (beispielsweise Eltern als Begleitpersonen bei Krankenhausaufenthalten). Außerdem hat sich der familiäre Alltag insgesamt verändert (häufig arbeiten beide Elternteile) und Familienstrukturen sind vielfältiger geworden (Patchworkfamilien; gemeinsames Sorgerecht getrenntlebender Eltern).
Zunächst wurden im Rahmen eines Modellprojekts ab 1986 an einzelnen Standorten Stellen für psychosoziale MitarbeiterInnen geschaffen, die als PionierInnen die psychosoziale Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland und in anderen europäischen Ländern aufbauten. Die kontinuierliche psychosoziale Begleitung der Familien von der Diagnose bis in die Nachsorge ist heute nicht mehr wegzudenken und wurde Vorbild für Versorgungsmodelle bei anderen chronischen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter (wie Mukoviszidose, Diabetes oder Herzerkrankungen).
Die Fachgruppe Qualitätssicherung der „Psychosozialen Arbeitsgemeinschaft in der Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie/Hämatologie“ (PSAPOH) hat 2008 eine Leitlinie der höchsten Qualitätsstufe (S3) erstellt und bei der „Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften e.V.“ (AWMF) veröffentlicht. In der Leitlinie sind sowohl die klinische Erfahrung aus der täglichen Arbeit mit krebskranken Kindern/Jugendlichen und deren Angehörigen als auch der aktuelle internationale Forschungsstand berücksichtigt. Regelmäßige Updates (2013, 2019, geplant 2024) sichern den hohen Qualitätsstand der Leitlinie. Wissenschaftliche Erkenntnisse und neu etablierte Praxisempfehlungen werden jeweils aktualisiert und ergänzt. An der Leitlinie „Psychosoziale Versorgung in der Pädiatrischen Onkologie/Hämatologie“ orientieren sich alle psychosozialen MitarbeiterInnen im deutschsprachigen Raum in ihrer täglichen Arbeit.
Die Deutsche Krebsgesellschaft (DKG) zertifiziert onkologische Zentren an Kliniken inklusive der Pädiatrischen Onkologie. Dabei wird nicht nur geprüft, ob die medizinische Versorgung den fachlichen Kriterien entspricht, sondern es muss auch die Einhaltung psychosozialer Qualitätskriterien nachgewiesen werden. Hier sind insbesondere die Qualifikation der MitarbeiterInnen der Psychosozialen Teams, der Stellenschlüssel (eine Vollzeitstelle pro 22 Neuaufnahmen/Jahr für Psychologie und Sozialarbeit) sowie die leitliniengerechte Versorgung der Kinder/Jugendlichen und ihrer Familien von Bedeutung.
Im Folgenden werden für psychosoziale Fachkräfte, MedizinerInnen, Pflegefachpersonen sowie Eltern und Angehörige die wichtigsten fachlichen Rahmenbedingungen und Hintergründe psychosozialer Versorgung in der pädiatrischen Onkologie beschrieben. So lässt sich nachvollziehen, dass psychosoziale Angebote inzwischen hohen Qualitätsansprüchen gerecht werden sollten und keinesfalls beliebig sind (nach dem Motto: „Reden kann doch jede/r“).