Was bedeutet das für unsere Familie?
Autor: Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Zuletzt geändert: 18.09.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e266103
Wenn die ÄrztInnen Ihres Kindes feststellen, dass die Krankheit trotz einer abgeschlossenen Behandlung wieder aufgetreten ist, spricht man von einem Rückfall oder Rezidiv. Vielleicht liegt die Behandlung Ihres Kindes bereits eine ganze Weile zurück, vielleicht hatten Sie gerade erste zaghafte Schritte in eine Normalität ohne Klinik gemacht. Und jetzt wird deutlich: Durch die Behandlung der Ersterkrankung ist es nicht gelungen, alle bösartigen Zellen im Körper Ihrer Tochter/Ihres Sohnes zu vernichten. Einige wenige Zellen sind „übriggeblieben“, haben sich sozusagen im Körper versteckt und angefangen, sich wieder zu vermehren. Trotz aller Anstrengungen war die bisherige Therapie nicht ausreichend.
Die Angst vor einem Rückfall hat Sie vermutlich von Anfang an begleitet, als die Kinderonkologie für Sie noch eine völlig neue Welt war: Sie waren herausgerissen aus Ihrem vertrauten Alltag, keiner Ihrer Freunde konnte nachvollziehen, was die Diagnose Ihres Kindes bedeutete. Im Laufe der Monate hatten Sie in der Klinik andere Familien kennengelernt, deren Kinder ebenso krank waren wie Ihres. Und wahrscheinlich hatten Sie dort Kontakte und neue Freundschaften geknüpft, Unterstützung erlebt und gemerkt: Sie sind nicht alleine, es gibt andere Kinder, die ähnlich betroffen sind und andere Eltern, mit denen Sie sich „in einem Boot“ fühlten.
Daher wussten Sie um die Möglichkeit eines Rückfalls, und jetzt gehört Ihr Kind dazu. Viele Fragen drängen sich auf: Warum mein Kind? Warum nicht die anderen, die Sie kennengelernt haben und die die Therapie erfolgreicher überstanden haben? Manche vertraut gewordenen Beziehungen zu anderen Eltern scheinen plötzlich in einem anderen Licht – wegen des Rückfalls fühlen Sie sich nicht einmal mehr in der Klinik mit den meisten anderen „in einem Boot“, sondern dort wie eine „Ausnahme in der Ausnahmesituation“.
Vielleicht ziehen Sie sich zunächst in Ihr Zimmer zurück und wollen gar keine Kontakte mit anderen Familien. Sie wollen nicht den Schrecken in den Augen der anderen sehen, die neu mit ihren Kindern auf Station gekommen sind und die begreifen: „Das gibt es also auch, dass die Krankheit wiederkommt.“ Ähnlich wie kurz nach der Erstdiagnose wollen Sie sich den anderen nicht zumuten und suchen Schutz für sich und Ihr Kind.
Wahrscheinlich ist die Rückkehr in die Klinik auch mit einem Gefühl von „Nach-Hause-Kommen“ verbunden: Die Abläufe und MitarbeiterInnen sind Ihnen vertraut, Ihre Tochter/Ihr Sohn wird gemocht und Sie kennen sich noch aus. Das kann Sicherheit geben. Vielleicht ist Ihnen aber auch alles irgendwie fremd, auch wenn sich „Ihre“ Station bisher wie ein sicherer Hafen angefühlt hatte, in dem Ihr Kind Hilfe erhielt: Sie wissen verzweifelt: Es hat alles nichts geholfen, um den Krebs endgültig zu besiegen! Die ganze Mühe und Anstrengung scheint umsonst gewesen zu sein. Und auch auf einer Kinderkrebsstation gibt es noch Unterschiede und Abstufungen des Schlimmen.