Reaktionen der Eltern
Autor: Barbara Grießmeier, Iris Lein-Köhler, Redaktion: Ingrid Grüneberg, Zuletzt geändert: 18.09.2023 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e266088
Die Zeit der Behandlung während der Erstdiagnose war für Sie als Eltern eine sehr anstrengende Zeit: Sie mussten das gesamte Familienleben neu organisieren, gleichzeitig die Schmerzen und das Leid Ihres Kindes aushalten und außerdem Ihre eigenen Ängste um das Leben des Kindes irgendwie in Schach halten. Sie haben alles ertragen und mitgemacht in der Hoffnung und Zuversicht, dass sich Ihr Einsatz auch „lohnen“ und Ihr Kind gesund wird.
Wenn die Krankheit zurückkommt – oder sich gar nicht behandeln lässt – werden Sie damit konfrontiert, dass die ganze bisherige Behandlung nicht ausgereicht hat oder erfolglos war, und Ihr großer Einsatz nicht belohnt wird. Je nach Erkrankung ist das aber oft nicht das Ende der Möglichkeiten: Häufig gibt es bewährte Therapien auch in der Rezidiv- oder Progress-Situation.
Sie wissen nun, dass sich die Heilungschancen Ihres Kindes verschlechtern und müssen sich vielleicht mit neuen invasiven oder experimentellen Behandlungsmöglichkeiten auseinandersetzen, die möglicherweise in einer anderen Klinik stattfinden sollen. Ihr Vertrauen in die Medizin, aber auch in die eigenen Möglichkeiten, Ihrem Kind zu helfen, sind erschüttert. Ihre Lebenspläne werden erneut durcheinandergewirbelt und Sie fragen sich möglicherweise, welchen Sinn ein solcher Kampf haben kann und ob es sich lohnen wird, erneut "alles auf eine Karte zu setzen".
Gleichzeitig wünschen Sie sich nichts sehnlicher, als dass die Ärzte Ihr Kind nun nicht „aufgeben“ und sind wahrscheinlich bereit, auch einer Behandlung unter erschwerten Bedingungen zuzustimmen – solange es Hoffnung auf Heilung gibt. Sie müssen sich mit neuen Informationen beschäftigen und gleichzeitig das Familienleben so organisieren, dass Sie den vielfältigen Anforderungen der Behandlung gerecht werden können.
Auch wenn Sie manche Belastung schon kennen, müssen Sie alle Kräfte mobilisieren, um die erneute/veränderte Therapie gemeinsam mit Ihrem Kind durchzustehen.
Es wird zunehmend schwieriger für Sie, eine optimistische Haltung zu bewahren und diese nach außen hin zu vertreten. Zum einen müssen Sie Ihr Kind dazu motivieren, sich wieder auf eine Behandlung einzulassen, zum anderen wollen Sie Ihre eigenen Ängste vor dem Kind verbergen. Auch wenn der Umgang mit der Erkrankung innerhalb Ihrer Familie bisher eher von Optimismus geprägt war („Gemeinsam schaffen wir das schon.“), müssen Sie jetzt vielleicht lernen, dass der Ausgang der Krankheit nicht von Ihrer Einstellung und Ihren Gedanken abhängt.
Natürlich ist jedes Rezidiv/jeder Progress zunächst ein großer Schock und Sie fragen sich, warum gerade Ihr Kind davon betroffen ist (und nicht andere Kinder, die Sie während der Ersterkrankung in der Klinik kennengelernt haben). Unter Umständen zweifeln Sie an der bisherigen Behandlung oder an der Kompetenz der ÄrztInnen. Die meisten Eltern fühlen sich noch ohnmächtiger und hilfloser als nach der Erstdiagnose und erleben die Krankheit als heimtückisch und unberechenbar. Das ängstigt und verunsichert. Zu begreifen und anzunehmen, dass es im Leben letztlich keine Sicherheit gibt, ist ein schwieriger Prozess. Manche Eltern entwickeln Schuldgefühle und fragen sich, ob sie in der zurückliegenden Zeit irgendetwas versäumt und ihr Kind nicht genügend geschützt haben.
Vielleicht fühlen Sie sich von der Ersttherapie (noch) tief erschöpft und fragen sich, wie Sie die Kraft aufbringen sollen, alles erneut mit Ihrem Kind durchzustehen. Möglicherweise fühlen Sie sich zunächst unfähig, überhaupt wieder sinnvoll handeln zu können und sind resigniert. Vielleicht ahnen Sie innerlich, dass Ihr Kind möglicherweise nicht gesund werden kann und werden zeitweise von einer großen Trauer überwältigt.
Manche Eltern beginnen verstärkt mit der Suche nach zusätzlichen, alternativen oder begleitenden (adjuvanten) Behandlungsmethoden, wenden sich Heilern zu oder suchen auf andere Weise nach Wegen, die große Verzweiflung und Hilflosigkeit besser ertragen zu können. Manchmal wünschen Eltern direkten Kontakt zur Studienleitung und eine zusätzliche weitere Meinung zu den Behandlungsoptionen. Andere Eltern beginnen, Ihr Kind stark zu verwöhnen – in der Hoffnung, ihm damit neue Kraft geben zu können. Es ist sehr verständlich, alles nur Erdenkliche tun zu wollen, um der Tochter/dem Sohn zu helfen und zu einer Heilung beizutragen, damit Verzweiflung und Ohnmacht erträglicher werden.
Trotz der vielen Fragen und Zweifel, die ein Rückfall mit sich bringt, dürfen Sie sicher sein, dass das Behandlungsteam Ihres Kindes alles tun wird, damit Ihr Kind gesund werden kann. Das Team wird Sie und Ihre Familie in jeder Hinsicht unterstützen und begleiten!