Diagnose: Wie wird die primäre Autoimmunneutropenie festgestellt?
Autor: S. Mellor-Heineke, C. Zeidler, Zuletzt geändert: 08.01.2025 https://kinderblutkrankheiten.de/doi/e279326
Die Diagnose einer primären Autoimmunneutropenie wird durch den Nachweis granulozytärer Antikörper im Blut bestätigt.
Zu den Untersuchungen gehören:
- Differentialblutbild (auch die Unterformen der weißen Blutkörperchen werden ausgezählt)
- Blutuntersuchung auf anti-granulozytäre Antikörper
- Gegebenenfalls Knochenmarkpunktion
Differenzialblutbild
Das Differenzialblutbild ist zur Beurteilung der Neutropenie erforderlich und hier insbesondere die Neutrophilenzahl.
Die absolute Neutrophilenzahl („absolute neutrophil count“, ANC) kann aus der Prozentzahl (stabkerniger plus segmentkerniger) neutrophiler Granulozyten × der Leukozytenzahl im peripheren Blut berechnet werden.
Bei einer Autoimmunneutropenie können die Neutrophilenzahlen stark schwanken. Manchmal sind sogar keine Neutrophilen im Blutbild nachweisbar. Anders als bei Kindern mit einer schweren angeborenen Neutropenie, deren ANCs immer unter 500/μl liegen, können bei Kindern mit einer Autoimmunneutropenie die Neutrophilenzahlen durch Immunstimulation beispielsweise bei Infekten, nach Impfungen oder beim ‚Zahnen‘ zeitweise ansteigen.
Bis die Diagnose einer Autoimmunneutropenie gestellt ist, sollte das Differenzialblutbild engmaschig kontrolliert werden. Es gilt zu prüfen, ob die Neutropenie fortbesteht und weitere Zellreihen wie rote Blutzellen betroffen sind. Auch bei einer Infektion sollte ein Differentialblutbild bestimmt werden, um gegebenenfalls einen Anstieg der Granulozyten sehen zu können. Ist die Diagnose bestätigt, reicht es aus, das Differenzialblutbild einmal im Quartal zu kontrollieren, bis die Autoimmunneutropenie überwunden ist.
Nachweis anti-granulozytärer Antikörper
Die Autoimmunneutropenie wird durch den Nachweis anti-granulozytärer Antikörper im Blut bestätigt. Eine Kombination mehrerer immunologischer Testmethodenhaben sich als Goldstandard bewährt: Dies sind der Granulozytenaggregationstest (GAT), der Granulozytenimmunfloureszenztest (GIFT) und der MAIGA („monoclonal antibody immobilization of granulocyte antigen“), ein glykoproteinspezifischer ELISA (Enzyme-Linked Immunosorbent Assay. So wird der Nachweistest bezeichnet, der auf der Interaktion von Antigen und Antikörper sowie einer enzymatischen Farbreaktion beruht.).
Der Nachweis anti-granulozytärer Antikörper erfolgt im Granulozytenaggregationstest (GAT) mit Testgranulozyten, die im Patientenserum bei vorhandenen Antikörpern zu einer Anhäufung (Aggregation) der Granulozyten führen.
Im Granulozytenimmunfloureszenztest (GIFT) erfolgt der Nachweis durch Zugabe eines mit einem Fluoreszenzfarbstoff markierten Sekundärantikörpers, der membrangebundene Antikörper nachweist.
Sind Autoantikörper nachgewiesen, können sie durch den MAIGA („monoclonal antibody immobilization of granulocyte antigen“) näher bestimmt werden. Hierdurch können vor allem HNA-1-, -2a-, -4a-, und -5a-Antikörper nachgewiesen werden, nicht aber HNA-3a.
Oftmals ist es schwierig, anti-granulozytäre Antikörper im Blut nachzuweisen. Der Nachweis gelingt am ehesten, wenn zum Untersuchungszeitpunkt die Anzahl der Neutrophilen niedrig ist (ANC unter 500/μl). Sind keine Antikörper nachweisbar, sollte der Test wiederholt werden. Manchmal sind Mehrfachuntersuchungen notwendig, um die Diagnose zu bestätigen.
Knochenmarkpunktion
Können trotz Mehrfachuntersuchungen keine Antikörper nachgewiesen werden, ist in Abhängigkeit von den Krankheitszeichenbeziehungsweise des Erkrankungsverlaufs eine Knochenmarkpunktion zu erwägen. Unter dem Mikroskop zeigt sich bei einer Autoimmunneutropenie ein völlig normales Knochenmark mit dem Vorhandensein aller Reifungsstufen der Granulozyten. Hier unterscheidet sich die Autoimmunneutropenie von der angeborenen Neutropenie, bei der sich morphologisch (mikroskopische Beurteilung) eine Reifungsstörung der Granulozyten mit Fehlen reifer Zellen darstellt.
Bei ungewöhnlichen, schweren oder Rezidivierenden Infektionen sollte trotz des Nachweises anti-granulozytärer Antikörper an eine angeborene (kongenitale) Neutropenie gedacht werden und eine weitere Diagnostik, gegebenenfalls eine genetische Untersuchung, erfolgen.
Die zuverlässige Diagnosestellung einer primären Autoimmunneutropenie sollte durch Spezialisten für Kinderblutkrankheiten erfolgen.