Spätfolgen für das Gehör
Autor: Christine Vetter, Maria Yiallouros, Prof. Dr. med. Thorsten Langer, Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: Prof. Dr. med. Ursula Creutzig, Zuletzt geändert: 19.12.2013 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e128475
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Sprache, Musik oder Geräusche erzeugen Schalldruckwellen (also Schwingungen) in der Luft, die von unserem Ohr wahrgenommen werden. Langsame Schwingungen (tiefe Frequenzen) hören wir als tiefe Töne, schnelle Schwingungen (hohe Frequenzen) als hohe Töne. Für unsere Hörfähigkeit ist unser gesamtes Hörorgan verantwortlich. Es nimmt die akustischen Schallwellen auf und wandelt sie in Nervenimpulse um, die im Gehirn verarbeitet und ausgewertet werden.
Gut zu wissen: Das Ohr eines Menschen kann in drei Abschnitte unterteilt werden: das Außenohr, das Mittelohr und das Innenohr. Spätfolgen nach einer Krebserkrankung im Kindes- und Jugendalter betreffen vor allem das Innenohr. Dort befindet sich die Gehörschnecke mit ihren tausenden von Sinneszellen (Haarzellen), die für die Umwandlung der Schallwellen in Töne verantwortlich sind.
Einen schematischen Querschnitt durch das Ohr mit seinen drei Hauptbereichen (Außen-, Mittel- und Innenohr) zeigt die nebenstehende Abbildung.
- Außenohr: Es besteht aus der Ohrmuschel und dem äußeren Gehörgang.
- Mittelohr: Es umfasst das Trommelfell, eine hauchdünne bewegliche Membran, und die Gehörknöchelchen Hammer, Amboss und Steigbügel.
- Innenohr: Im Innenohr befinden sich das Gleichgewichtsorgan und die Gehörschnecke, das eigentliche Hörorgan. Die Schnecke entspricht einer mit Flüssigkeit gefüllten spiralförmigen Röhre. Sie ist in ihrer gesamten Länge mit Sinneszellen besetzt. Diese werden auch Haarzellen genannt, weil sie an ihrer Oberfläche feine Härchen tragen. Die Haarzellen sind unterschiedlich empfindlich für verschiedene Tonhöhen und Frequenzen, je nachdem, an welcher Stelle in der Gehörschnecke sie sich befinden: Die äußeren Haarzellen am Beginn der Spirale, der Basis, verarbeiten die hohen Frequenzen. Zur Spiralenspitze hin werden zunehmend tiefe Frequenzen verarbeitet.
Und so funktioniert das Hören:
- Die Ohrmuschel fängt die Schallwelle auf und leitet sie über den äußeren Gehörgang zum Trommelfell.
- Das Trommelfell beginnt durch den Druck der Schallwelle zu schwingen.
- Die Schwingung des Trommelfells überträgt sich auf die Kette der Gehörknöchelchen.
- Das letzte der drei Gehörknöchelchen (Steigbügel) drückt wie ein Stempel in das mit Flüssigkeit gefüllte Gehörorgan des Innenohrs (die Gehörschnecke). Auf diese Weise wird die Schallwelle auf das Innenohr übertragen.
- Die Haarzellen in der Gehörschnecke biegen sich durch die Bewegung der Flüssigkeit und wandeln so die mechanischen Impulse in Nervensignale um.
- Die Nervensignale werden von Fasern des Hörnervs an das Hörzentrum im Gehirn weitergeleitet.
Mögliche Ursachen und Krankheitsbilder
Sowohl eine Chemotherapie mit bestimmten Medikamenten als auch eine Strahlentherapie im Kopfbereich können das Gehör schädigen. Wenn beide Therapieformen in Kombination eingesetzt werden, erhöht sich das Risiko einer Gehörschädigung. Fachleute bezeichnen die schädigende Wirkung von Substanzen auf das Innenohr als „Ototoxizität“.
Chemotherapie
Medikamente, die Platin enthalten, können bei manchen Patienten dazu führen, dass die Haarzellen im Innenohr, also die eigentlichen Sinneszellen, die das Hören ermöglichen, nachhaltig geschädigt werden. Die Betreffenden leiden dann an einer Schwerhörigkeit.
Da zunächst jene Haarzellen Schaden erleiden, die für die Empfindung hoher Töne zuständig sind, betrifft die Schwerhörigkeit vor allem das Hören hoher Töne. Man spricht in diesem Fall von "Hochtonschwerhörigkeit". Wenn die Medikamentendosis im Körper zunimmt, kann auch das Hören tieferer Töne beeinträchtigt sein. Das kommt jedoch vergleichsweise selten vor. In der Regel sind beide Ohren von solchen Hörverlusten betroffen.
Die Behandlung mit platinhaltigen Medikamenten kann unter Umständen auch zum Auftreten störender Ohrgeräusche führen, der Mediziner spricht von einem Tinnitus. Diese gesundheitlich nicht gefährliche, wohl aber als sehr störend empfundene Komplikation kann vorübergehend oder anhaltend sein.
In der Kinderkrebsheilkunde kommen vor allem die Zytostatika Cisplatin und Carboplatin zur Anwendung. Cisplatin wirkt im Allgemeinen stärker schädigend auf das Gehör als Carboplatin. Es wird daher versucht, Cisplatin zunehmend durch Carboplatin zu ersetzen, wenn der Therapieerfolg dadurch nicht beeinträchtigt wird. Eine Strahlentherapie im Kopfbereich (siehe unten) kann die schädigende Wirkung der platinhaltigen Medikamente (insbesondere des Cisplatin) auf das Gehör weiter verstärken.
Strahlentherapie
Eine Bestrahlung im Bereich des Kopfes kann, wenn sie die Ohren miterfasst, Blutgefäße im Innenohr schädigen und dadurch ebenfalls zu einer Beeinträchtigung des Gehörs führen. Im Prinzip haben alle Patienten, die eine Schädelbestrahlung von mehr als 30 Gray (= Gy) erhalten, ein erhöhtes Risiko für einen späteren Hörschaden.
Besonders risikoreich für das Hörvermögen ist es, wenn zusätzlich zur Schädelbestrahlung eine Chemotherapie mit platinhaltigen Medikamenten gegeben wird. Denn Platinkomplexe verstärken die Wirkung der Strahlentherapie.
Symptome einer Gehörschädigung
Eine Hörstörung zu bemerken, sei es bei sich selbst oder gar bei einem Kind, ist oft nicht leicht. Das gilt vor allem dann, wenn nur bestimmte Frequenzbereiche des Hörens betroffen sind.
Bei einer Hochtonschwerhörigkeit zum Beispiel werden zwar gewisse hohe Töne nicht mehr wahrgenommen (dies bleibt oft unbemerkt), aber grundsätzlich hört man noch ganz gut, da der Tieftonbereich nicht beeinträchtigt ist. Eingeschränkt ist bei einem Hochtonverlust allerdings das Sprachverstehen. Das liegt daran, dass die hohen Töne die Grundlage für bestimmte Buchstaben (wie f, s, t, h, k) bilden, die bei einem Hochtonverlust nicht mehr (klar) gehört werden.
Es gibt verschiedene Anzeichen, die bei einem Kind auf eine Hörstörung hinweisen können. Die Art der Symptome hängt vor allem von der Form und Schwere der Hörstörung sowie vom Alter des betroffenen Kindes ab. Je jünger das Kind ist, umso schwerwiegender kann sich eine Hörschädigung auf seine Entwicklung auswirken.
Achten Sie bei Ihrem Kind daher auf folgende mögliche Anzeichen einer Hörstörung:
- Es reagiert im Alter von etwa einem Jahr nicht angemessen auf einfache sprachliche Anforderungen, wenn diese nicht durch Gesten unterstützt werden oder sich aus dem Situationszusammenhang ergeben.
- Sein „Brabbeln“ verändert sich im ersten Lebensjahr nicht oder nur wenig und es versucht, durch schrille Schreisignale auf sich aufmerksam zu machen.
- Es reagiert nicht angemessen auf Geräusche oder Sprache und erkennt den eigenen Namen auch im Alter von einem Jahr nicht.
- Das Brabbeln entwickelt sich im zweiten Lebensjahr nicht zu erkennbaren Sprachlauten und damit auch nicht zu Worten.
- Es erschrickt nicht bei lauten und plötzlich einsetzenden Geräuschen.
- Es versucht nicht, die Schallquelle zu lokalisieren, wendet also zum Beispiel den Kopf nicht dem Sprecher zu.
- Es lässt sich nicht oder nur durch sehr laute Geräusche oder Ansprache vom Spiel ablenken.
- Es zieht sich aus sozialen Kontakten zurück oder reagiert zunehmend aggressiv.
- Es fällt in Gruppen durch „unruhiges“ Verhalten auf.
- Es fragt oft nach .
- Es stellt den Lautstärkeregler stets sehr hoch ein.
Wenn Sie eines oder mehrere der oben genannten Symptome an Ihrem Kind feststellen, sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt konsultieren, um die Ursache zu klären. Ein gutes Gehör ist für Kinder besonders wichtig, damit sie sich normal entwickeln können und richtig sprechen lernen.
Achten Sie daher auf folgende mögliche Anzeichen einer Hörstörung:
bei Kleinkindern:
- bis zum 3. Monat: Das Kind reagiert nicht auf Töne und Geräusche, wenn kein Sichtkontakt besteht.
- bis zum 6. Monat: Das Kind erschrickt nicht bei lauten und plötzlich einsetzenden Geräuschen. Es wendet nicht den Kopf, wenn es Geräusche von der Seite hört oder von der Seite angesprochen wird. Es hört nicht zu, wenn es eine Stimme hört. Auch die ersten Anzeichen der Sprachentwicklung fehlen: Ein Kind, das hören kann, beginnt in diesem Alter vor sich hinzulallen und laut zu lachen.
- bis zum 9. Monat: Das Kind hört nicht auf seine eigene Stimme.
- bis zum 12. Monat: Das Kind reagiert nicht auf den eigenen Namen. Es horcht nicht auf leise Geräusche (zum Beispiel Papierrascheln, Ticken einer Uhr). Das „Brabbeln“ des Kindes verändert sich im ersten Lebensjahr nicht oder kaum und es versucht, durch schrille Schreisignale auf sich aufmerksam zu machen. Ein Kind, das sich normal entwickelt, ahmt bereits Silben nach, spricht mindestens ein Wort und versucht, durch Babylaute Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
- bis zum 18. Monat: Das Kind reagiert nicht angemessen auf Aufforderungen, die in normaler Lautstärke aus einem Meter Entfernung gesprochen werden, es sei denn, diese werden durch Gesten unterstützt oder ergeben sich aus dem Situationszusammenhang. Das Brabbeln des Kindes entwickelt sich nicht zu erkennbaren Sprachlauten und Wörtern. Ein gesundes Kind kann zum Beispiel Angehörige und einige Gegenstände benennen, Tierlaute nachahmen, Wünsche auf einfache Weise äußern.
- bis zum 24. Monat: Das Kind reagiert nicht auf leises Zurufen des Namens aus vier bis sechs Meter Entfernung. Ein gesundes Kind kann zum diesem Zeitpunkt Zwei-Wort-Sätze sprechen (zum Beispiel „Ball haben“)
- zwischen 3 und 5 Jahren: das Kind kann sich sprachlich nicht äußern und Gefühle oder Wünsche ausdrücken.
Risikofaktoren auf einen Blick
Ein erhöhtes Risiko für eine Schädigung des Gehörs infolge der Krebstherapie besteht:
- bei einer Chemotherapie mit den Wirkstoffen Cisplatin oder Carboplatin
- bei einer hohen Dosierung dieser Zytostatika
- bei einer Strahlentherapie im Bereich des Kopfes, die die Innenohren miterfasst (ab 30 Gy)
- bei Patienten, die bei der Tumorbehandlung unter fünf Jahre alt sind
- bei einer hohen Lärmbelästigung vor, während und direkt nach der Therapie
- wenn Nierenfunktionsstörungen bestehen
- bei Patienten, deren Gehör schon vor der Therapie beeinträchtigt war
Ein Blick in die Forschung: Die Zusammenhänge zwischen Krebserkrankungen im Kindes- und Jugendalter und Spätfolgen für das Gehör (Ototoxizität) werden im Rahmen verschiedener Forschungsprojekte weiter untersucht. Das Ziel dieser Studien ist es, die Kenntnisse über das Zusammenwirken der verschiedenen Risikofaktoren besser zu verstehen und dadurch zu einer Verbesserung der Nachsorgeempfehlungen und, soweit möglich, auch zur Entwicklung nebenwirkungsärmerer Therapien beizutragen. Eine europaweite Studie (PanCareLIFE), die sich unter anderem auch dem Thema Ototoxizität widmet, ist vor kurzem angelaufen. Mehr dazu hier.
Bei welchen Krebskrankheiten kann es therapiebedingt zu Spätfolgen des Gehörs kommen?
Patienten, die im Rahmen ihrer Krebsbehandlung eine Chemotherapie mit den Medikamenten Cisplatin oder Carboplatin und/oder eine Strahlentherapie im Bereich des Kopfes erhalten, müssen unter Umständen mit einer Beeinträchtigung des Gehörs rechnen. Die genannten Therapien werden derzeit vor allem bei folgenden Krebserkrankungen angewandt:
- ZNS-Tumoren (Cisplatin, Carboplatin; Bestrahlungen im Kopfbereich)
- Osteosarkom (Cisplatin, Carboplatin; zum Teil Strahlentherapie)
- Neuroblastom (Cisplatin, Carboplatin)
- Weichteilsarkome und Weichteiltumoren (Carboplatin)
- Keimzelltumoren (Cisplatin)
- Lebertumoren (Cisplatin, Carboplatin)
- Wilms-Tumor (Carboplatin)
- Retinoblastom (Carboplatin, altersabhängig)
Wichtig zu wissen: Jeder Patient wird individuell behandelt, das heißt, nicht in jedem der genannten Krankheitsfälle werden platinhaltige Medikamente verabreicht beziehungsweise eine Bestrahlung im Kopfbereich durchgeführt, die auch die Innenohren erfasst. Auch führt nicht jede derartige Strahlentherapie und jede Behandlung mit Cisplatin und/oder Carboplatin notgedrungen zu Spätfolgen. Die Höhe der Medikamenten- und Strahlendosis spielt dabei eine entscheidende Rolle. Auch das Alter und die persönliche Konstitution des Patienten können von Bedeutung sein.
Fragen Sie Ihr Behandlungsteam, ob bei Ihnen beziehungsweise Ihrem Kind durch die Therapie ein erhöhtes Risiko für eine Gehörschädigung besteht!
Nachsorgeempfehlungen
Ein gutes Gehör ist besonders für Kinder wichtig, damit sie sich normal entwickeln können und richtig sprechen lernen. Hörstörungen müssen daher so früh wie möglich erkannt werden, um betroffene Kinder und Jugendliche gegebenenfalls mit einem Hörgerät zu versorgen. Aus diesem Grund werden bereits während der Krebsbehandlung Untersuchungen des Gehörs durchgeführt. Eine Ausgangsuntersuchung vor Beginn der Therapie dient dabei als Vergleichswert.
Unabhängig davon sollte ein Hörtest unbedingt Bestandteil der Therapieabschlussuntersuchung sein. Denn die Ergebnisse dieses abschließenden Tests geben Aufschluss darüber, wie hoch das Risiko für die Entwicklung oder das Fortschreiten eines Hörverlustes sein wird und wie infolgedessen die Nachsorge erfolgen muss.
Gut zu wissen: Ob, wie häufig und über welchen Zeitraum Nachsorgeuntersuchungen erforderlich sind, richtet sich vor allem nach der Art der Behandlung und den Ergebnissen der vorhergehenden Hörtests:
- Kinder, die bereits während der Therapie eine Hörminderung zeigen, müssen sowohl während des weiteren Therapieverlaufs als auch nach Abschluss der Therapie engmaschig kontrolliert werden. Denn es ist damit zu rechnen, dass der Hörverlust im Verlauf der Therapie zunimmt und auch nach Therapieende weiter fortschreitet. Die Experten empfehlen in diesen Fällen in den ersten zwei Jahren nach Ende der Chemotherapie alle sechs Monate einen Hörtest und über mindestens drei weitere Jahre einen jährlichen Hörtest.
- Wenn die Untersuchungen während und nach Abschluss der Behandlung keine Hinweise auf eine Schwerhörigkeit ergeben, so kann in den folgenden Jahren auf weitere Untersuchungen des Gehörs weitestgehend verzichtet werden. Denn die Gefahr für therapiebedingte Hörstörungen ist dann in der Regel gering. Allerdings ist es nicht völlig ausgeschlossen, dass eine Hörstörung später noch eintritt! Die Angehörigen (sowie andere Bezugspersonen, zum Beispiel Lehrer) sollten deshalb weiterhin achtsam bleiben, zumal Kinder den Hörverlust häufig kompensieren, beispielsweise durch Lippenlesen. Beim geringsten Verdacht auf eine Hörstörung (siehe Abschnitt „Symptome“), sollte unbedingt eine Audiometrie erfolgen.
Achten Sie unbedingt auf die Einhaltung der von Ihrem Behandlungsteam empfohlenen Nachsorgetermine!
Häufige Nachsorgeuntersuchungen
Zur Überprüfung der Gehörfunktion stehen verschiedene Verfahren zur Verfügung. Zu den wichtigsten gehören die Ton-Audiometrie und die Messung otoakustischer Emissionen:
Audiogramm: Bei der Erstellung eines Ton-Audiogramms werden dem Patienten über einen Kopfhörer einzelne Töne vorgespielt, die sich in ihrer Frequenz, also in der Höhe des Tones, unterscheiden. Dabei wird die Lautstärke des Tons verändert und der Patient erklärt jeweils, ob er den Ton hört oder nicht. Die Ergebnisse der Untersuchung werden in einem Diagramm festgehalten. Da besonders häufig das Hören hoher Töne eingeschränkt ist, kann sich die Untersuchung auf den hohen Frequenzbereich beschränken (Hochfrequenz-Audiometrie). Da die Untersuchung auf die Mithilfe des Patienten angewiesen ist, kann sie erst ab dem dritten Lebensjahr erfolgen.
Otoakustische Emissionen: Bei der Messung otoakustischer Emissionen (OAE) wird ebenfalls die Funktion des Innenohrs überprüft. Anders als beim Audiogramm ist aber die Mithilfe des Untersuchten nicht erforderlich, so dass sich diese Form des Hörtests auch für Säuglinge und Kleinkinder unter drei Jahren eignet. Bei der Untersuchung werden winzige Messmikrofone in den äußeren Gehörgang eingeführt. Treffen Schallwellen auf ein gesundes Ohr, werden die äußeren Haarzellen im Innenohr aktiv. Sie ziehen sich zusammen und produzieren dabei sehr schwache Schallwellen (otoakustische Emissionen), die von den hochempfindlichen Mikrofonen registriert werden.
Vorbeugung von Spätfolgen für das Gehör
Wenn aufgrund der Behandlung bereits ein gewisses Risiko für die Entwicklung einer Hörstörung besteht, sollte der Patient sowohl während als auch direkt nach Abschluss der Therapie unbedingt darauf achten, Lärmquellen zu vermeiden, damit das Gehör nicht zusätzlich geschädigt wird. Denn auch ein hoher Lärmpegel kann die empfindlichen Haarzellen im Innenohr schädigen und somit kurzfristig oder für immer zu Schwerhörigkeit führen.
Das wird verständlich, wenn man weiß, dass die Lautstärke eines Geräusches durch den Druck der Schallwelle bestimmt wird, die auf das Ohr trifft. Ein starker Druck produziert laute, ein schwacher Druck leisere Töne. Denn: Ein starker Druck stimuliert sehr viele Sinneszellen im Innenohr, ein schwacher Druck nur einige wenige. Bei zu starkem Druck können die Sinneszellen absterben.
Die Lautstärke von Tönen wird in der Einheit Dezibel (dB) angegeben. Der Hörbereich des Menschen liegt etwa zwischen 10 und 140 dB. Normale Geräuschpegel, wie sie während einer Unterhaltung entstehen, liegen bei etwa 45 dB. Ein Düsenflugzeug erreicht etwa 140 dB. Ab 80 dB muss man mit Gehörschäden rechnen. Nicht nur ein einmaliges, sehr lautes Schallereignis (zum Beispiel ein lauter Knall) schädigt das Gehör. Auch wenn man über längere Zeit vergleichsweise geringem Lärm ausgesetzt ist, kann dies aufgrund der Langzeitbelastung zu Schwerhörigkeit führen.
Zu Letzterem zählt beispielsweise das Hören von zu lauter Musik über einen Kopfhörer sowie Konzert- und Diskobesuche, deren Geräuschpegel fast immer zu hoch ist. Es ist daher prinzipiell, also auch für gesunde Menschen, ratsam, einen Walkman nicht so häufig und grundsätzlich nur mit geringer Lautstärke zu nutzen und zu häufige Disko- und Konzertbesuche zu vermeiden.
Für Kinder und Jugendliche, die ein erhöhtes therapiebedingtes Risiko für einen Gehörschaden haben, gelten vor, während und einige Zeit nach der Therapie folgende Empfehlungen:
- Musik nur mit geringer Lautstärke hören
- Keine Kopfhörer zum Musikhören benutzen
- Keine Veranstaltungen besuchen, bei denen ein hoher Geräuschpegel zu erwarten ist (wie Disko, Konzert, Feste mit lauter Musik)
- Immer wieder dem Ohr Ruhepausen gönnen: Hörzellen, die geschwächt, aber noch nicht abgestorben sind, haben dann die Chance, sich wieder zu erholen.
Ein Blick in die Forschung: Derzeit wird intensiv an Substanzen geforscht, die das Gehör während einer potentiell schädigenden Therapie schützen können, wenn sie zeitgleich verabreicht werden. Manche dieser Substanzen haben eine entzündungshemmende Wirkung, andere können möglicherweise verhindern, dass die Haarsinneszellen im Innenohr absterben. Bevor diese Medikamente einsetzbar sind, muss aber nicht nur ihre Wirkung nachgewiesen werden; es muss auch feststehen, dass sie die Tumortherapie nicht beeinträchtigen.
Behandlung von Spätfolgen für das Gehör
Wenn Hörverluste auftreten, die den Hauptsprachbereich betreffen, so müssen die betroffenen Kinder mit einem Hörgerät versorgt werden. Das ist wichtig, damit seine sprachliche und/oder psychosoziale Entwicklung nicht beeinträchtigt wird.
Ein Hörgerät ist im Prinzip ein akustischer Verstärker. Das Geräusch wird von einem Mikrofon empfangen, verstärkt und über einen Lautsprecher an das Ohr weitergeleitet. Das Gerät verstärkt leise Töne stärker als laute, die Verstärkung ist auf eine maximale Lautstärke beschränkt und diffuse Hintergrundgeräusche werden unterdrückt.
Trotzdem ist der Höreindruck mit einem Hörgerät anders als der natürliche. Vor allem das Sprachverstehen kann mit einer alleinigen Hörgerätversorgung unbefriedigend bleiben. Daher kann – vor allem bei Schulkindern – zusätzlich zum Hörgerät die Versorgung mit einer drahtlosen Signalübertragungsanlage (FM-Anlage) sinnvoll sein. Bei einer solchen Anlage wird der Sprachschall des Sprechers über ein Mikrofon aufgenommen und per Funk direkt auf die Hörgeräte des Kindes übertragen. Störschall und Nachhall werden dabei vermieden.
Fragen Sie Ihren Arzt, welche Art von Hörunterstützung in Ihrem beziehungsweise im Fall Ihres Kindes am sinnvollsten ist. Informieren Sie sich auch eingehend über die Auswirkungen, die die Hörstörung auf ihr Kind haben kann.
Denn trotz der Versorgung mit Hörhilfen kann die Hör- und Sprachentwicklung eines schwerhörigen Kindes beeinträchtigt sein und das Hören anstrengend sein, es kann zu Schulproblemen kommen und die Lebensqualität kann darunter leiden. Durch fördernde Verhaltensmaßnahmen kann das Kind unterstützt werden, sowohl zu Hause als auch in der Schule (zum Beispiel durch eine Verbesserung der Akustik in Räumen oder durch einen günstigen Sitzplatz in der Schule). Möglicherweise ist auch die Anbindung an eine Frühfördereinrichtung oder an ein Förderzentrum „Hören“ notwendig und sinnvoll.





