Andere Faktoren

Autor:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 29.06.2021 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e56914

Weitere Faktoren, die bei der Entstehung akuter Leukämien eine Rolle spielen können oder als mögliche Risikofaktoren diskutiert werden, sind aus epidemiologischen Studien bekannt. Epidemiologische Untersuchungen sind immer bevölkerungsbezogen, Aussagen für den einzelnen Patienten lassen sich daraus nicht ableiten. Die im Zusammenhang mit akuten (myeloischen) Leukämien diskutierten Faktoren werden im Folgenden zusammengefasst.

Radioaktive Strahlen

Atombombenkatastrophen (Hiroshima, Nagasaki) und Reaktorunfälle (Tschernobyl) haben gezeigt, dass radioaktive Strahlen das Auftreten insbesondere von akuten Leukämien fördern können [SHI1990]. Die energiereiche Strahlung verursacht Schäden im Erbgut besonders jener Körperzellen, die sich häufig teilen. Dazu gehören auch die Zellen des Knochenmarks, die für die Blutbildung zuständig sind.

Eine Gefährdung durch das Leben in der Umgebung von Kernkraftwerken wurde in der Vergangenheit immer wieder diskutiert, ließ sich aber bisher nicht beweisen [KAA1998]. Die Ergebnisse einer vor wenigen Jahren abgeschlossenen Studie des Kinderkrebsregisters in Mainz (DKKR), die so genannte KiKK-Studie, zeigen, dass in Deutschland ein Zusammenhang besteht zwischen der Nähe der Wohnung zu einem Kernkraftwerk und dem Risiko eines Kindes, vor seinem fünften Geburtstag an Krebs (vor allem an Leukämie) zu erkranken. Warum das so ist, lässt sich nach Einschätzung des Kinderkrebsregisters allerdings mit den gewonnenen Daten nicht erklären [DKS2008] [KAA2008] [SPI2008]. Pressemitteilungen zur Studie finden Sie hier. Auf der Schweizerischen Seite "Forum Medizin und Energie (FME)" finden Sie aktuelle Informationen zum Thema AKW und Krebs bei Kindern, die auf neueren Ergebnissen einer englischen Untersuchungskommission beruhen (Stand 2016). FME bietet auch eine sehr informative Broschüre (Kinderleukämie und Kernkraftwerke – (K)Ein Grund zur Sorge?) zum Thema. Einen Überblick über die KiKK-Studie und Folgestudien in anderen Ländern finden Sie auch auf den Seiten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS).

Röntgenstrahlen und Strahlentherapie

Wissenschaftliche Studien weisen darauf hin, dass auch durch geringere Strahlenbelastungen, wie sie etwa bei einer Röntgenuntersuchung auftreten, das Leukämierisiko erhöht sein kann. Eine therapeutische Strahlenbehandlung oder eine diagnostische Röntgenstrahlenbelastung bei Schwangeren führt zu einem erhöhten Leukämierisiko der Kinder.

Da heute kaum noch Röntgenstrahlung in der gynäkologischen Diagnostik eingesetzt werden, spielen diese als Risikofaktoren für die Leukämieentstehung allerdings nur noch eine sehr untergeordnete Rolle.

Bekannt ist, dass eine Strahlentherapie (ebenso wie eine Chemotherapie, siehe unten) im Kindesalter ein gewisses Risiko birgt, zu einem späteren Zeitpunkt eine neue bösartige Erkrankung zu bekommen [KAA2009] [KAA2009a] [KLE2003a]. So kann eine AML als Zweitkrebserkrankung nach strahlen- und/oder chemotherapeutischer Behandlung einer anderen Krebserkrankung (zum Beispiel einer akuten lymphoblastischen Leukämie (ALL) oder einem Hodgkin-Lymphom) entstehen. Man spricht in diesem Fall auch von einer therapieassoziierten oder therapieinduzierten AML (t-AML).

Elektromagnetische Felder

Als mögliche Ursache einer Leukämie werden auch nicht-ionisierende elektromagnetische Strahlen diskutiert und im Rahmen von Studien untersucht. Dabei wird zwischen hochfrequenten und niederfrequenten elektromagnetischen Feldern unterschieden. Hochfrequente elektromagnetische Strahlung wird zum Beispiel durch Radio- und Fernsehübertragung, Kommunikation über Mobilfunk (Sendemasten), schnurlose Telefone, WLAN und Radarüberwachung, Ganzkörperscannern, Babyüberwachungs- oder Mikrowellengeäte erzeugt. Niederfrequente elektrische und magnetische Felder entstehen unter anderem durch Hochspannungsleitungen, im Stromnetz der Bahn, bei der Verwendung von Elektrogeräten (Haushaltsgeräte und Elektroinstallationen im Haus) sowie Bildschirmgeräten (Fernsehen, Computer).

Hochfrequente elektromagnetische Strahlung: Laut einer Studie der Universität Mainz, die über drei Jahre unter Einschluss von fast 2.000 ehemaligen Leukämiepatienten durchgeführt wurde, haben hochfrequente elektromagnetische Felder, wie sie in der Umgebung von leistungsstarken Radio- und Fernsehsendern auftreten, keinen Einfluss auf das Leukämierisiko eines Kindes [SCH2008g]. Weitere Informationen sowie die Pressemitteilung zur Studie finden Sie hier.

Niederfrequente elektromagnetische Strahlung: Die Auswirkung niederfrequenter Magnetfelder auf die Leukämieentstehung wird nach wie vor kontrovers diskutiert. Während epidemiologische Beobachtungen auf einen möglichen Zusammenhang hinweisen (niederfrequente Felder werden aus diesem Grund von der International Agency for Research on Cancer (IARC) seit 2002 als möglicherweise kanzerogen eingestuft), konnte eine Ursache-Wirkungs-Beziehung bislang nicht nachgewiesen werden. Auch ein biologischer Wirkungsmechanismus, der die Krankheitsentstehung oder deren Verlauf erklären wurde, ist bislang nicht gefunden worden. Zum gegenwärtigen Stand kann ein geringfügiger Einfluss niederfrequenter Felder auf die Krankheitsentstehung nicht völlig ausgeschlossen werden [SCH2011c] [SCH2008g]. Eine große, multinationale Studie mit über 3.000 ehemaligen ALL-Patienten hat allerdings ergeben, dass niederfrequente Felder keine Auswirkung auf den Krankheitsverlauf (Rezidivauftreten, Zweitkrebserkrankung, Überleben) einer bestehenden Leukämieerkrankung haben [SCH2012e].

Informationen über die Ursachenforschung zur Leukämie bei Kindern erhalten Sie auch auf den Seiten des Bundesamtes für Strahlenschutz (BfS) hier.

Chemische Substanzen und Medikamente

Bestimmte chemische Substanzen wie Benzol und verwandte Stoffe können nachgewiesenermaßen eine Leukämie sowie andere Krebsarten auslösen. Benzole sind unter anderem in Fahrzeug- und Industrieabgasen enthalten. Untersuchungen weisen darauf hin, dass das Risiko einer Leukämie bei Kindern erhöht ist, wenn die Eltern berufsbedingt (zum Beispiel im Umgang mit Fahrzeugmotoren) Benzol und anderen Substanzen ausgesetzt sind oder sie in einem Industriegebiet leben [BIR2005]. Geforscht wird auch an einem möglichen Zusammenhang zwischen einer Leukämie bei Kindern und der (beruflichen) Exposition der Eltern gegenüber Pestiziden, Lösungsmitteln, Textilstaub oder Holzarbeiten [BHA1995] [MEI2000] [SCH2000i].

Inzwischen ist auch bekannt, dass einige Medikamente, die zur Behandlung von Krebs eingesetzt werden (Zytostatika / Immunsuppressiva) die Funktion des Knochenmarks beeinträchtigen und daher langfristig die Entwicklung einer Leukämie begünstigen (siehe oben). Die therapieinduzierte sekundäre AML (t-AML) gehört zu den häufigsten Zweitkrebserkrankungen, die im Anschluss an eine Chemotherapie (und in geringerem Maße Strahlentherapie) für eine bösartige Ersterkrankung vorkommen. [CRE2018] [KAA2009] [KLE2003a] Angesichts dieses Risikos sollte jedoch nicht vergessen werden, dass eine Zytostatika-Behandlung oft die einzige Möglichkeit ist, das Überleben des Patienten zu sichern; der unmittelbare Vorteil dieser Medikamente ist somit ungleich größer als das Risiko, durch ihre Anwendung möglicherweise eine spätere Krebserkrankung auszulösen.

Einige Untersuchungen weisen darauf hin, dass das Rauchen der Mütter während der Schwangerschaft ebenso wie das Rauchen der Väter vor der Geburt (wahrscheinlich durch eine genetische Schädigung von Spermazellen) das Risiko insbesondere akuter Leukämien und Lymphome bei Kindern erhöht [SAS1999]. Einige Studien belegen auch den Einfluss, den ein Alkohol- und Drogenkonsum der Mutter während der Schwangerschaft auf die Entstehung von Leukämien (vor allem der AML) bei Säuglingen und Kleinkindern hat [BHA1995] [ROB1989].

Therapieinduzierte sekundäre AML (t-AML)

Eine therapieinduzierte sekundäre AML (t-AML) kann, wie bereits oben erwähnt, vor allem nach einer Chemotherapie auftreten, die im Rahmen einer anderen Krebserkrankung durchgeführt wurde. In geringerem Maße kann auch der Einsatz eine Strahlentherapie das Risiko für eine sekundäre AML erhöhen [KLE2003a]. Die t-AML kann durch verschiedene chemotherapeutische Substanzen ausgelöst werden, die auch mit unterschiedlichen molekularen Zellveränderungen und Unterschieden hinsichtlich des Zeitpunkts der Krebsentstehung einhergehen.

Zwei Gruppen der t-AML lassen sich unter Berücksichtigung dieser Faktoren unterscheiden:

  • Leukämien, die nach einer Behandlung mit alkylierenden Substanzen (Alkylantien) vorkommen (zum Beispiel Busulfan, Cyclophosphamid, Dacarbazin, Ifosfamid, Lomustin, Melphalan, Procarbazin oder Temozolomid).
  • Leukämien, die nach einer Behandlung mit so genannten Topoisomerase-II-Inhitbitoren, insbesondere den Epipodophyllotoxinen (wie Etoposid, Teniposid) und den Anthrazyklinen (zum Beispiel Daunorubicin, Doxorubicin, Epirubicin, Idarubicin und Mitoxantron), entstehen.

Informationen zu den durch verschiedene Substanzen ausgelösten molekularen AML-Subtypen und ihrem Auftreten, finden Sie im Kapitel "Was ist eine AML?
Hier erhalten Sie weitere, allgemeine Informationen zu verschiedenen Zytostatika und Zytostatikasubstanzgruppen.