Gewinnung von Tumormaterial

Autor:  Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 28.05.2020 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e15399

Knochenmarkpunktion

Da bei einem Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) auch das Knochenmark befallen sein kann, muss zum Zweck der Diagnose oder spätestens vor Therapiebeginn zur Feststellung des Krankheitsstadiums eine Knochenmarkpunktion erfolgen. Zur Durchführung der Untersuchung entnimmt der Arzt mit Hilfe einer dünnen Hohlnadel wenige Milliliter Knochenmark aus dem Beckenkammknochen. Dort ist das Knochenmark nur durch eine relativ dünne Knochenschicht von der Haut getrennt, so dass die Entnahme ohne wesentliches Risiko erfolgen kann.

Die Punktion erfolgt bei größeren Kindern unter örtlicher Betäubung; eventuell wird zusätzlich ein Beruhigungsmittel verabreicht (Sedierung). Bei kleineren Kindern kann unter Umständen eine kurze Narkose (Allgemeinnarkose, Vollnarkose) zweckmäßig sein. Damit sollen die Schmerzen, die beim Ansaugen des Knochenmarkblutes entstehen, so gering wie möglich gehalten werden. Die Untersuchung kann ambulant durchgeführt werden und dauert meist nicht länger als 15 Minuten.

Das gewonnene Knochenmark wird vom Arzt unter dem Mikroskop auf das Vorhandensein von Lymphomzellen untersucht und gegebenenfalls für weitere, spezielle Untersuchungsverfahren aufbereitet (siehe Kapitel "Untersuchung des Tumormaterials).

Knochenmarkbefund bei NHL
Ein Befall des Knochenmarks liegt bei einem NHL definitionsgemäß dann vor, wenn der mikroskopisch schätzbare Anteil der Lymphomzellen im Knochenmark 5 % oder mehr beträgt. Bei über 20 % Lymphomzellen kann die Knochenmarkpunktion zur Diagnosestellung ausreichen. Beträgt der Anteil von Tumorzellen im Knochenmark 25 % und mehr, so handelt es sich definitionsgemäß nicht um eine NHL, sondern um eine Leukämie [BUR2017] [HEN2004b] [REI2006].

Punktion von Körperhöhlenflüssigkeiten

Bei Patienten mit Tumoren im Brust- und Bauchraum kommt es häufig zu so genannten Körperhöhlenergüssen, krankhaften Flüssigkeitsansammlungen, die bei einer Röntgenuntersuchung beziehungsweise im Ultraschall sichtbar sind.

Liegt bei einem Patienten mit Verdacht auf Non-Hodgkin-Lymphom Wasser im Bauch (Aszites) oder Brustfell (Pleuraerguss) vor, so kann eine Punktion zur Gewinnung von Tumormaterial durchgeführt werden. Die Punktion erfolgt in der Regel unter örtlicher Betäubung und ist für den Patienten wenig belastend. Die Probe wird anschließend mittels zytologischer, immunhistochemischer, immunologischer und molekulargenetischer Methoden auf Lymphomzellen untersucht.

Gewebeentnahme (Biopsie) – Lymphknotenentnahme

Besteht Verdacht auf ein Non-Hodgkin-Lymphom (NHL) und kann die Diagnose nicht auf anderem Wege, zum Beispiel durch eine Punktion von Körperhöhlenergüssen oder Knochenmark, gestellt werden, so muss eine Gewebeprobe aus einem befallenen Lymphknoten entnommen werden. Zu diesem Zweck wird, wenn möglich, der größte Lymphknoten einer möglichst einfach zugänglichen Lymphknotengruppe, zum Beispiel im Hals-, Leisten- oder Schlüsselbeinbereich, operativ entfernt.

Die Lymphknotenentnahme erfolgt meist unter örtlicher Betäubung. Wenn keine oberflächlichen Lymphknoten zugänglich sind, kann eine Gewebeentnahme aus tiefer liegenden befallenen Lymphknoten (zum Beispiel Bauchlymphknoten) erforderlich sein. Der chirurgische Eingriff wird dabei immer so klein wie möglich gehalten. In selteneren Fällen kann auch eine Gewebeentnahme aus anderen befallenen Geweben und Organen erforderlich sein (zum Beispiel aus Haut, Hoden, Knochen). Das Ziel des chirurgischen Eingriffs ist nicht die vollständige Entfernung des Tumors, denn eine Operation stellt keine geeignete Maßnahme zur Heilung eines NHL dar. Handelt es sich allerdings um kleine, begrenzte Tumoren, so ist im Rahmen der Biopsie auch eine komplette Entfernung möglich.

Entnahme von Rückenmarksflüssigkeit (Lumbalpunktion)

Da Non-Hodgkin-Lymphome systemische Erkrankungen sind, ist immer damit zu rechnen, dass auch das Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark) von Lymphomzellen befallen ist. Daher muss auf jeden Fall vor Beginn der Therapie der Nervenwasserkanal im Bereich der Lendenwirbelsäule (Lumbalgegend) punktiert werden. Der Nervenwasserkanal enthält die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor), die das Gehirn gegen Stöße und Druck von außen schützt. Sind die Hirnhäute von der Erkrankung betroffen, so lassen sich im Liquor ebenfalls Lymphomzellen nachweisen.

Zur Gewinnung der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit sticht der Arzt, meist unter örtlicher Betäubung, mit einer sehr feinen und langen Hohlnadel zwischen zwei Wirbeln der Lendenwirbelsäule in den Nervenwasserkanal ein. Dort ist der Liquorraum am besten zu erreichen. Auch Medikamente können hier eingespritzt werden (siehe Kapitel Therapie). Nach der Punktion muss der Patient für einige Zeit (mindestens zwei Stunden) in Kopftieflage liegen, um Kopfschmerzen vorzubeugen. Falls ein Medikament gespritzt wird (siehe Behandlung), dient das Liegen auch der besseren Verteilung des Medikaments im Liquorraum.

Die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit wird anschließend auf Lymphomzellen untersucht. Der Befund entscheidet darüber, ob im Rahmen der Therapie eine Bestrahlung des Zentralnervensystems (ZNS) oder eine andere Form der intensivierten Behandlung notwendig wird und wie hoch die jeweilige Behandlung dosiert sein muss.