Einteilung der niedrigmalignen Gliome (Klassifikation)
Autor: Maria Yiallouros, Dr. med. habil. Gesche Tallen, Zuletzt geändert: 28.08.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e37404
Niedrigmaligne Gliome entstehen durch eine bösartige Veränderung (Entartung) von Gliazellen. Da verschiedene Formen von Gliazellen (zum Beispiel Astrozyten, Oligodendrozyten) von der Entartung betroffen sein können, gibt es verschiedene Formen niedrigmaligner Gliome, die sich in ihrem feingeweblichen Aufbau (also mikroskopisch) voneinander unterscheiden. Die Namen der verschiedenen niedrigmalignen Gliome deuten auf das Gewebe hin, aus dem der Tumor aller Wahrscheinlichkeit nach hervorgegangen ist. Meist bestehen niedrigmaligne Gliome aus nur einer Gewebeart (so zum Beispiel Astrozytome, Oligodendrogliome), aber auch Mischtumoren (zum Beispiel Oligoastrozytome, Gangliogliome) kommen vor (siehe auch Informationen zu Aufbau und Funktion des Zentralnervensystems, Kapitel: "Feingeweblicher Aufbau des Zentralnervensystems").
Unabhängig von ihrer Herkunft können Gliome verschiedene Grade der Bösartigkeit (Malignität) aufweisen, das heißt, sie wachsen unterschiedlich schnell und sind unterschiedlich aggressiv. Entsprechend der Einteilung (Klassifikation) der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden insgesamt vier Malignitätsgrade (ZNS-WHO-Grad 1-4) unterschieden: Dabei entspricht der ZNS-WHO-Grad 1 einem (biologisch) gutartigen, langsam wachsenden Tumor mit günstiger Prognose. Bei einer Geschwulst mit ZNS-WHO-Grad 4 handelt es sich dagegen um einen besonders bösartigen und schnell wachsenden Tumor mit entsprechend ungünstiger Prognose.
Gut zu wissen: Zu den niedrigmalignen Gliomen zählen ausschließlich Grad 1- und Grad 2-Tumoren (auch: 1° und 2°). Grad 3- und Grad 4-Tumoren (auch: 3° und 4°) sind hochgradig maligne Gliome; sie benötigen eine andere Behandlung und werden an dieser Stelle nicht weiter beschrieben.
Bis vor einiger Zeit erfolgte die Einteilung der niedriggradig malignen Gliome (sowie aller ZNS-Tumoren) ausschließlich unter Berücksichtigung der feingeweblichen (histologischen) Eigenschaften der Tumorzellen. Seit der 2016 eingeführten und in 2021 aktualisierten WHO-Klassifikation werden auch molekulargenetische Veränderungen der Tumorzellen in die Einteilung mit einbezogen [LOU2021] [LOU2016] [GNE2018] . Anhand histopathologischer und molekulargenetischer Merkmale werden die im Folgenden genannten Formen niedrigmaligner Gliome unterschieden (siehe Tabelle im Anschluss):
Art des Tumors |
ZNS-WHO-Grad |
---|---|
Diffuse niedriggradige Gliome vom pädiatrischen Typ |
|
• Diffuses Astrozytom, MYB- oder MYBLI-alteriert |
1 |
• Angiozentrisches Gliom |
1 |
• Polymorpher niedriggradiger neuroepithelialer Tumor des Jugendalters (PLNYY) |
1 |
• Diffuses niedriggradiges Gliom, MAPK Signalweg-alteriert |
1 |
Diffuse niedriggradige Gliome vom adulten Typ |
|
• Diffuses Astrozytom, IDH-mutiert |
2 |
• Oligodendrogliom IDH-mutiert, 1p/19q co-deletiert |
2 |
Umschriebene astrozytäre Tumoren |
|
• Pilozytisches Astrozytom |
1 |
• Pleomorphes Xanthoastrozytom |
2 |
• Subependymales Riesenzell-Astrozytom |
1 |
• Astroblastom, MN1-alteriert |
(ohne Gradierung) |
Gliale und glioneuronale Tumoren |
|
• Gangliogliom |
1 |
• Desmoplastisches infantiles Gangliogliom / desmo-plastisches infantiles Astrozytom (DIG/DIA) |
1 |
• Dysembryoplastischer neuroepithelialer Tumor (DNT) |
1 |
• Diffuser glioneuronaler Tumor mit Oligodendogliom-ähnlichen Merkmalen und nukleären Clustern (DGONC) |
(ohne Gradierung) |
• Papillärer glioneuraler Tumor |
1 |
• Rosettenbildender glioneuraler Tumor (RGNT) |
1 |
• Myxoider glioneuronaler Tumor |
1 |
• Diffuser leptomeningealer glioneuraler Tumor |
(ohne Gradierung) |
• Dysplastisches cerebelläres Gangliozytom (Lhermitte-Duclos-Syndrom) |
1 |
Die verschiedenen (feingeweblichen) Formen der niedrigmalignen Gliome kommen unterschiedlich häufig vor: Am häufigsten sind pilozytische Astrozytome mit einem Anteil von etwa 50 - 70 % (wovon das pilomyxoide Astrozytom nur einen geringen Prozentsatz ausmacht). Etwa 10 % sind glioneuronale Tumoren (Grad I), weitere 10 % diffuse Astrozytome (Grad 2). Die einzelnen Subtypen weisen zum Teil auch Unterschiede bezüglich ihres Wachstumsverhaltens und der bevorzugten Lage im Zentralnervensystem auf. Diese Unterschiede wirken sich wiederum auf die Behandelbarkeit und somit die Heilungsaussichten beziehungsweise Überlebenschancen des Patienten aus und werden daher bei der Wahl der Behandlungsstrategie mit berücksichtigt.