Chemotherapie
Autor: PD Dr. med. Gesche Tallen, Dipl.-Biol. Maria Yiallouros, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 09.04.2018 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e48675
Inhaltsverzeichnis
Chemotherapie bedeutet Behandlung mit zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika). Sie ist neben der Strahlentherapie und der Operation eine der drei großen Säulen der Krebsbehandlung bei Kindern und Jugendlichen.
Das Ependymom WHO-Grad II ist ein geringgradig bösartiger, das Ependymom WHO-Grad III ein bösartiger ZNS-Tumor. Bösartige Hirntumoren haben unter anderem die Eigenschaft, dass sie auch in gesundes Hirngewebe hineinwachsen und sich entlang der Hirnhäute) sowie über die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit) (Liquor) ausbreiten. Deshalb kann die alleinige operative Entfernung des Tumors nicht zu einer erfolgreichen Bekämpfung der Krankheit führen.
Erst durch Einführung einer an die Operation anschließenden (postoperativen) Strahlentherapie konnte das Tumorwachstum unter Kontrolle gebracht werden. Es ist derzeit Gegenstand der Forschung, inwieweit bei Kindern mit einem Ependymom die Überlebensraten durch eine zusätzliche Behandlung mit Zellgiften (Chemotherapie) verbessert werden können [MER2005].
Gut zu wissen: Bei der Vorbereitung Ihres Kindes auf die Chemotherapie können kindgerechte und fachgerechte Literatur zum Thema "Chemotherapie" (zum Beispiel die Bilderbücher der Deutschen Kinderkrebsstiftung) hilfreich sein. Jedoch ersetzt auch diese nicht das persönliche Gespräch mit Ihrem Behandlungsteam.
Welche Patienten erhalten eine Chemotherapie?
Im Rahmen der aktuellen Behandlungspläne des HIT 2000 Interim Registers wird die Chemotherapie derzeit bei folgenden Patientengruppen eingesetzt:
- bei Kindern und Jugendlichen mit Resttumor eines Ependymoms WHO-Grad II
- bei Kindern und Jugendlichen mit oder ohne Resttumor eines anaplastischen Ependymoms (WHO-Grad III) und/oder eines metastasierten Ependymoms
- bei Kindern mit Ependymom WHO Grad II oder III, die jünger als 18 Monate alt sind
Welche Medikamente werden eingesetzt und wie werden sie verabreicht?
Die chemotherapeutische Behandlung erfolgt mit mehreren Zytostatika gleichzeitig, um eine möglichst große Wirkung gegen die bösartigen Zellen zu erzielen. Als Medikamente kommen zum Beispiel Cisplatin, Vincristin, Cyclophosphamid, Etoposid, Carboplatin und Methotrexat zum Einsatz.
Die meisten Medikamente werden intravenös (i.v.) oder durch eine länger dauernde (ein- bis zweistündige) Infusion (per infusionem, p.i.) in eine Vene verabreicht. Die Medikamentengabe erfolgt dabei über einen zentralen Venenkatheter (Broviac-Katheter oder Hickman-Katheter), der vor Therapiebeginn unter Vollnarkose implantiert wird. Einige Zytostatika werden als Tabletten gegeben (per oral, p.o.).
Die Dosierung der Zytostatika richtet sich nach der Körperoberfläche des Patienten, welche in m² angegeben wird. Die Zytostatikagabe kann von weiteren Behandlungsmaßnahmen begleitet sein, die der Vorbeugung oder Behandlung therapiebedingter Nebenwirkungen dienen (Supportivtherapie).
Manche Zytostatika, die intravenös verabreicht werden, können mit anderen chemisch reagieren und ausflocken/verklumpen, bevor sie in die Blutbahn des Patienten gelangen. Deshalb müssen sie über verschiedene Infusionen und/oder nacheinander verabreicht werden. Dies erklärt, warum manche Patienten "so viele Schläuche haben" oder eine Behandlung an manchen Tagen länger dauert als im Behandlungsprotokoll beschrieben ist.
Bei Patienten, die aufgrund zusätzlicher Leiden parallel zur Chemotherapie regelmäßig weitere Medikamente einnehmen müssen (zum Beispiel ein Antiepileptikum), muss die Konzentration dieser Medikamente im Blut entsprechend regelmäßig kontrolliert werden.
Wie läuft die Chemotherapie ab?
Die Chemotherapie erfolgt in mehreren Zyklen (Blöcken) oder Phasen. Der Vorteil einer solchen Intervallbehandlung liegt darin, dass Krebszellen, die während des ersten Zyklus nicht erfasst werden, in einer der nachfolgenden Behandlungsphasen vernichtet oder am Wachstum gehindert werden können.
Zwischen den Therapiephasen liegen Behandlungspausen, die dem Körper die Möglichkeit geben, angegriffenes gesundes Gewebe zu regenerieren. Besser als bösartige Zellen sind gesunde Zellen nämlich in der Lage, die durch die Chemotherapie verursachten Schäden an ihrer Erbinformation zu erkennen und zu reparieren.
Im Rahmen der derzeitigen Behandlungspläne für Patienten mit Ependymom lassen sich als Behandlungsabschnitte bei der Chemotherapie zum Beispiel die Induktionstherapie und die Erhaltungstherapie (Konsolidierungstherapie) unterscheiden.
Die Induktionstherapie ist intensiver als die Erhaltungstherapie und hat die Verkleinerung oder zumindest einen Wachstumsstillstand des Tumors zum Ziel. Die Erhaltungschemotherapie dient der Erhaltung oder sogar Verbesserung der zuvor (durch Chemotherapie und/oder Strahlentherapie) erzielten Therapieergebnisse. Die Behandlung erfolgt zum Teil stationär, zum Teil ambulant.
Informationen zum Ablauf der Behandlung nach den derzeit aktuellen Therapieempfehlungen (HIT 2000 Interim Register) erhalten sie im Kapitel "Ablauf der Behandlung". Allgemeine Informationen zur Chemotherapie finden Sie hier.
Wie erfolgreich ist die Chemotherapie?
Ein Problem bei der Bewertung der Chemotherapie besteht bei Patienten mit Ependymom besonders darin, dass diese Tumoren insgesamt sehr selten vorkommen und die Fallzahlen der Kinder und Jugendlichen, für die im Rahmen der aktuellen Behandlungskonzepte eine Chemotherapie vorgesehen ist, insgesamt gering sind.
Die bisherigen Ergebnisse weisen darauf hin, dass eine alleinige Chemotherapie die 5-Jahres-Überlebszeiten der Patienten nicht mit Sicherheit über die durch die Strahlentherapie erzielten Ergebnisse hinaus steigern konnte [GOL1990].
Die Erfahrungen zeigen jedoch auch, dass die Kombination von intensiver Chemotherapie und Bestrahlung im Anschluss an die Operation eine vielversprechende Wirkung auf die Prognose von Kindern und Jugendlichen mit einem Ependymom hat: Sowohl bei Kindern unter drei Jahren, deren Prognose früher aussichtslos war, als auch bei älteren Kindern konnten die Überlebenschancen durch diese Therapiekombination deutlich verbessert werden. Dies trifft selbst für Patienten mit einem anaplastischen, das heißt, WHO-Grad-III-Ependymom, zu [GRU2007] [MER2005] [TIM2010] [TIM2005] [TIM2000] [DUF1998] [NEE1997].
Welche Nebenwirkungen hat die Chemotherapie und welche Möglichkeiten zur Vorbeugung und Behandlung gibt es?
Die Chemotherapie schädigt nicht nur die Krebszellen, sondern auch gesunde Zellen, die sich häufig und schnell teilen (zum Beispiel Zellen der Mund- und Darmschleimhaut, Haarwurzel- und Knochenmarkzellen). Dadurch kommt es im Laufe der Behandlung trotz aller Vorsichtsmaßnahmen zu einer Reihe von Nebenwirkungen, die je nach Art und Dosierung der Medikamente unterschiedlich stark sind.
Gut zu wissen: Nicht alle Patienten reagieren in gleicher Weise auf die Chemotherapie. Das heißt: Nicht alle der im Folgenden aufgeführten Nebenwirkungen treten bei jedem Patienten auf. Darüber hinaus empfindet jeder Patient einzelne Nebenwirkungen unterschiedlich stark.
Häufige Nebenwirkungen
- Zu den häufigsten Nebenwirkungen einer Zytostatikabehandlung zählen Störungen im Verdauungstrakt, Übelkeit, Erbrechen, Durchfälle sowie Haarausfall.
- Auch die Bildung gesunder roter und weißer Blutkörperchen und Blutplättchen kann durch die knochenmarkschädigende Wirkung der Zytostatika beeinträchtigt sein. Durch den daraus resultierenden Mangel an Blutzellen kann es zu einer akuten, unter Umständen lebensbedrohlichen Infektionsgefahr sowie zu erhöhter Blutungsneigung und Blutarmut kommen.
- Ferner können Nieren, Gehör, Gehirn und Nervensystem, Leber und Lunge sowie die weiblichen und männlichen Keimdrüsen – die Eierstöcke und die Hoden – in ihrer Funktion gestört werden. Das Ausmaß der Schädigung und die Dauer der Erholung hängen von der Art und der Dosis der verabreichten Zytostatika sowie von Alter und allgemeiner körperlicher Verfassung des Patienten ab.
Maßnahmen zur Vorbeugung und Behandlung
Den möglichen Nebenwirkungen einer Chemotherapie kann teilweise durch eine dem Alter und der Größe des Patienten angepasste Dosierung der Medikamente und durch eine genau festgelegte zeitliche Abfolge der Medikamentengaben vorgebeugt werden. Darüber hinaus wird das Behandlungsteam verschiedene unterstützende Behandlungsmaßnahmen (Supportivtherapie) ergreifen, um Nebenwirkungen vorzubeugen oder diese zu behandeln:
- Während der Therapie auftretende Nebenwirkungen wie Übelkeit, Erbrechen und Entzündungen der Mund- und Darmschleimhaut lassen sich mit Hilfe von Medikamenten wirksam bekämpfen oder lindern.
- Außerdem werden antibakterielle Medikamente (Antibiotika) sowie Medikamente gegen Pilze und gegebenenfalls Viren) verabreicht, um gegen Infektionen vorzugehen oder diese von vornherein zu vermeiden.
- Fehlende rote Blutzellen (Anämie) oder Blutplättchen (Thrombozytopenie) können durch die Gabe entsprechender Blutkonserven (Erythrozyten- und Thrombozytenkonzentrate) ersetzt werden; dies ist jedoch nur selten erforderlich.
- Mit Hilfe von Wachstumsfaktoren versucht man, die Bildung weißer Blutzellen anzuregen, die eine wichtige Rolle bei der Krankheitsabwehr spielen.
- Im Hinblick auf eine eventuelle Unfruchtbarkeit oder Erbgutschäden besteht für männliche Patienten die Möglichkeit einer Samenentnahme und für weibliche Patienten einer Eizellentnahme vor Beginn der Therapie. Bitten Sie Ihr Behandlungsteam um weitere Informationen dazu. Zum Thema Fruchtbarkeit und Fruchtbarkeitserhalt können Sie sich auch auf unseren Seiten „Spätfolgen für die Fortpflanzungsorgane“ informieren.
- Der Haarausfall bildet sich meist drei bis sechs Monate nach Therapieende von selbst vollständig zurück.
Hier erhalten Sie ausführliche Informationen zur Supportivtherapie.
Gut zu wissen: Auch der Patient selbst beziehungsweise seine Angehörigen können durch verschiedene (vorbeugende) Maßnahmen dazu beitragen, Nebenwirkungen zu mildern und Komplikationen so gut wie möglich zu vermeiden. Dies gilt vor allem für Behandlungszeiten, die der Patient zu Hause verbringt (zum Beispiel Therapiepausen oder ambulante Behandlungsphasen). Entsprechende Informationen (zum Beispiel zur Ernährung, zur Vorbeugung von Infektionen, zum Umgang mit Blutungen oder zur Linderung behandlungsbedingter Nebenwirkungen) finden Sie in unserem Text „Empfehlungen für zu Hause (während oder nach der Chemo- und Strahlentherapie)“. Individuelle Empfehlungen erhalten Sie von Ihrem Behandlungsteam.
Neben akuten Folgen der Chemotherapie muss unter Umständen auch mit verschiedenen Spätfolgen der Behandlung gerechnet werden. Informationen dazu finden Sie im Kapitel "Spätfolgen".
Anmerkung: Lassen Sie sich auf jeden Fall vom Behandlungsteam in einem persönlichen Gespräch aufklären über:
- jede Substanz, die Ihrem Kind verabreicht werden soll
- den Grund und die Form ihrer Verabreichung
- mögliche Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten, die Ihr Kind möglicherweise zusätzlich einnimmt (zum Beispiel Antiepileptika)
- mögliche allgemeine und spezielle Nebenwirkungen und Komplikationen des Medikaments
- Vorbeugung und Behandlungsmöglichkeiten von Nebenwirkungen und Komplikationen, die mit dem Medikament einhergehen können (bevor das neue Medikament zum ersten Mal verabreicht wird)