2. Allogene Blutstammzelltransplantation
Autor: Dr. med. Gesche Riabowol née Tallen, Dr. med. Jörn Kühl, Redaktion: Maria Yiallouros, Zuletzt geändert: 02.05.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e76577
Bei der allogenen Blutstammzelltransplantation (allogene HSZT) erhält der Patient Blutstammzellen von einem anderen Menschen („allo-“ ist eine griechische Silbe und bedeutet „anders“ oder „fremd“). Es kann sich dabei um einen Verwandten, meist ein passendes Geschwisterkind, oder um einen freiwilligen, unverwandten Spender handeln (umgangssprachlich wird auch von Familienspender- beziehungsweise Fremdspender-Transplantation gesprochen) [MUE2013d].
Entscheidend ist, dass der Spender mit dem Patienten bezüglich bestimmter Gewebemerkmale auf der Oberfläche der weißen Blutzellen, den so genannten HLA-Merkmalen (englische Abkürzung für: "human leukocyte antigens"), weitgehend übereinstimmt. Das ist wichtig:
- damit die Gefahr der Transplantatabstoßung (Empfänger-gegen-Transplantat-Reaktion oder Empfänger-gegen-Spender-Reaktion; englisch: "Host-versus-Graft"-Reaction, HvG) nicht zu groß ist und
- damit die Abwehrreaktionen der gespendeten Blutstammzellen gegen den Organismus des Empfängers nicht zu stark ausfallen. Die letztere, lebensgefährliche Immunreaktion wird als Spender-gegen-Empfänger-Reaktion (englisch: Graft-versus-Host Disease, GvHD) bezeichnet.
Die allogene Stammzelltransplantation kommt vorzugsweise bei Krankheiten in Frage, bei denen das Knochenmark direkt von der Grunderkrankung betroffen ist oder bei denen die Zellen, die von Blutstammzellen gebildet werden (beispielsweise Abwehrzellen) nicht richtig funktionieren (zum Beispiel bei Leukämien und Anämien). In solchen Fällen können keine gesunden eigenen Stammzellen gewonnen und transplantiert werden.
Bei Leukämien spielt darüber hinaus noch eine wichtige Rolle, dass bei der bereits erwähnten Spender-gegen-Empfänger-Reaktion die Abwehrzellen des Spenders neben den gesunden Zellen des Empfängers auch dessen Leukämiezellen als fremd erkennen und somit zerstören können. Diese so genannte Spender-gegen-Leukämie-Reaktion (englisch: „Graft-versus-Leukaemia Reaction“) führt dazu, dass das Rückfallrisiko einiger Leukämien nach einer allogenen Stammzelltransplantation geringer ist als nach alleiniger Chemotherapie oder einer autologen Stammzelltransplantation.
Typischerweise werden allogene Stammzelltransplantation bei Kindern und Jugendlichen mit folgenden Krankheiten durchgeführt:
- bestimmten ungünstigen Formen und Rückfällen von akuten Leukämien (akute lymphoblastische Leukämie und akute myeloische Leukämie) und von Non-Hodgkin-Lymphomen
- schweren angeborenen Erkrankungen des körpereigenen Abwehrsystems (so genannte Immundefekte wie Schwerer kombinierter Immundefekt (SCID), Non-SCID Immundefekte, Kostmann-Syndrom, Wiskott-Aldrich-Syndrom)
- angeborenen oder erworbenen Erkrankungen der Blutbildung (zum Beispiel Schwere aplastische Anämie, Fanconi-Anämie, Sichelzellkrankheit, Beta-Thalassämie)
- bestimmten angeborenen Stoffwechselerkrankungen (wie Leukodystrophien)
Für angeborene Erkrankungen mit "defekten" Blutstammzellen entspricht die allogene Stammzelltransplantation einer Art Gentherapie. Die direkte "genetische Korrektur" der eigenen kranken Stammzellen mittels Gentherapie wirft noch viele Probleme auf und hat sich bisher leider noch nicht als erfolgversprechender Behandlungsansatz erwiesen.
Sonderform: Syngene Stammzelltransplantation
Unter einer syngenen Blutstammzelltransplantation (syngene HSZT) versteht man die Übertragung von Blutstammzellen, deren Spender der eineiige Zwilling des Patienten ist. Da eineiige Zwillinge dieselben Gene haben und damit auch dieselben Gewebemerkmale aufweisen, ist die syngene Stammzelltransplantation somit der sehr seltene Sonderfall einer völlig HLA-identischen allogenen Transplantation. Syngene Transplantationen sind sehr gut verträglich. In den seltensten Fällen erfolgt eine Abstoßung des Transplantats. Ihr sinnvolles Einsatzgebiet entspricht am ehesten dem der autologen Stammzelltransplantation.