Pineoblastom – Kurzinformation
Autor: Maria Yiallouros, Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: Dr. med. Martin Mynarek, Zuletzt geändert: 11.03.2025 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e279751
Inhaltsverzeichnis
Krankheitsbild
Das Pineoblastom (oder Pinealoblastom) ist ein bösartiger Tumor des Gehirns. Es entsteht durch eine Entartung von Zellen des Zirbeldrüse (Glandula pinealis), einem kleinen Organ im Bereich des Zwischenhirns. Da das Pineoblastom direkt vom Zentralnervensystem (ZNS) ausgeht, wird es auch als primärer ZNS-Tumoren bezeichnet. Damit wird das Pineoblastom, wie andere primäre ZNS-Tumoren, von Absiedlungen (Metastasen) bösartiger Tumoren abgegrenzt, die in einem anderen Organ entstanden sind.
Pineoblastome gehen aus extrem unreifen und undifferenzierten (das heißt, embryonalen) Zellen des Zentralnervensystems hervor und wachsen daher besonders schnell. Aufgrund ihres aggressiven Wachstumsverhaltens gelten sie als hochgradig bösartige Tumoren.
Das Pineoblastom kann, ausgehend vom Bereich der Zirbeldrüse, auch in andere Regionen von Gehirn und Rückenmark streuen. Eine Metastasierung außerhalb des Zentralnervensystems, beispielsweise in Knochen, Knochenmark, Lunge oder Lymphknoten, kommt selten vor.
Bis vor einiger Zeit wurden Pineoblastome und embryonale, nicht-rhabdoide ZNS-Tumoren wegen ihrer Seltenheit und der Ähnlichkeit im Krankheitsverlauf und in der Therapie von vielen Autoren als eine Gruppe beschrieben. Inzwischen hat sich jedoch gezeigt, dass sich das Pineoblastom auf molekularer Ebene deutlich von allen anderen embryonalen ZNS-Tumoren unterscheidet und daher als eigenständiger Tumortyp betrachtet werden muss.
Häufigkeit
Pineoblastome kommen im Kindes- und Jugendalter sehr selten vor. Sie machen – mit etwa drei bis vier Krankheitsfällen pro Jahr – weniger als 1 % aller ZNS-Tumoren in Deutschland aus. An einem Pineoblastom erkranken insbesondere Kinder und junge Erwachsene. Das Durchschnittsalter der Patienten zum Zeitpunkt der Diagnosestellung liegt bei circa 18 Jahren.
Ursachen
Das Pineoblastom entsteht durch eine bösartige Veränderung (Entartung) von Zellen des Nervengewebes. Der genaue Entstehungsmechanismus, der der Entwicklung dieser Tumoren zugrunde liegt, ist noch nicht bekannt. Man weiß, dass nach einer Bestrahlung des Schädels im Kindesalter, zum Beispiel im Rahmen der Behandlung einer akuten Leukämie oder eines bösartigen Augentumors wie dem Retinoblastom, ein erhöhtes Risiko für die Entstehung eines Tumors im Zentralnervensystem besteht.
Darüber hinaus werden in den Tumorzellen zum Teil bestimmte Genen und/oder Chromosomenveränderungen beobachtet. Daraus resultierende Störungen der weiteren Zellentwicklung und Zellkommunikation können ursächlich daran beteiligt sein, dass aus einer gesunden Zelle eine Krebszelle wird. Aufgrund der Seltenheit der Tumoren gibt es bisher allerdings nur vereinzelt Hinweise auf typische molekulargenetische Veränderungen.
Gut zu wissen: Ein Pineoblastom kann in sehr seltenen Fällen im Zusammenhang mit einem erblichen Retinoblastom auftreten (so genanntes trilaterales Retinoblastom) und geht in diesem Fall mit genetischen Veränderungen im so genannten Retinoblastomgen einher. Informationen zum trilateralen Retinoblastom finden Sie in unserem Patiententext zum Retinoblastom.
Symptome
In der Regel entwickeln sich Krankheitszeichen (Symptome) bei Kindern und Jugendlichen mit einem Pineoblastom wegen des schnellen und unkontrollierten Tumorwachstums innerhalb sehr kurzer Zeit. Die Symptome, die bei Kindern mit diesen Tumoren auftreten können, richten sich (wie bei anderen Arten von ZNS-Tumoren) vor allem nach dem Alter des Patienten und danach, wo sich der Tumor im Zentralnervensystem befindet und wie er sich ausbreitet. Dabei werden allgemeine (unspezifische) und lokale (spezifische) Krankheitszeichen unterschieden.
Unspezifische Symptome
Unspezifische Allgemeinsymptome treten unabhängig von der Lage des Tumors auf und ganz generell auch bei anderen Krankheiten, die nichts mit einem ZNS-Tumor zu tun haben. Sie äußern sich zum Beispiel in Kopf- und/oder Rückenschmerzen, Schwindelgefühlen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen – bei einem Hirntumor typischerweise unabhängig von der Nahrungsaufnahme [Nüchternerbrechen] und oft morgens und im Liegen –, Gewichtsverlust, zunehmender Müdigkeit, Leistungsknick, Konzentrationsstörungen, Wesensveränderungen und Entwicklungsverzögerungen.
Die Ursache für diese Symptome ist meist der langsam zunehmende Druck im Schädelinneren, der direkt durch den wachsenden Tumor bedingt ist und/oder durch eine vom Tumor verursachte Zirkulations- oder Abflussstörung der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor). Letztere kann auch zur Bildung eines so genannten „Wasserkopfes“ (Hydrocephalus) führen. Dieser kann bei Babys und Kleinkindern mit noch offenen Fontanellen unter anderem durch eine verstärkte Zunahme des Kopfumfanges (Makrocephalus) auffallen.
Spezifische Symptome
Lokale (spezifische) Symptome geben Hinweise darauf, wo sich der Tumor beziehungsweise eventuelle Metastasen im Zentralnervensystem befinden und welche Aufgabenzentren dort beeinträchtigt sind. Beim Pineoblastom kann es zum Beispiel zu einer Blicklähmung kommen. Diese Form der Sehstörung, die durch die besondere Lage des Tumors im Zwischenhirn bedingt ist, wird Parinaud-Syndrom genannt. Es äußert sich unter anderem darin, dass die Patienten die Augäpfel nicht nach oben richten können. Darüber hinaus kann ein Tumor im Zwischenhirn (oder auch im Großhirn) mit Lähmungserscheinungen und/oder Krampfanfällen einhergehen. Auch Seh-, Sprach-, Verhaltens- und Schlafstörungen sowie Stimmungsschwankungen oder Appetitregulationsstörungen können auftreten.
Gut zu wissen: Das Auftreten eines oder mehrerer dieser Krankheitszeichen muss nicht bedeuten, dass ein Pineoblastom oder ein anderer Hirntumor vorliegt. Viele der genannten Symptome können auch bei vergleichsweise harmlosen Erkrankungen auftreten, die mit einem Hirntumor nichts zu tun haben. Bei entsprechenden Beschwerden (zum Beispiel immer wiederkehrenden Kopfschmerzen, bei kleinen Kindern auch bei einer unverhältnismäßig schnellen Zunahme des Kopfumfanges) ist es jedoch ratsam, so bald wie möglich einen Arzt zu konsultieren. Liegt tatsächlich ein ZNS-Tumor vor, muss schnellstmöglich mit der Therapie begonnen werden.
Diagnose
Findet der (Kinder-)Arzt durch Krankheitsgeschichte (Anamnese) und körperliche Untersuchung Hinweise auf einen bösartigen Tumor des Zentralnervensystems, wird er den Patienten in ein Krankenhaus überweisen, das auf Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist (Klinik für pädiatrische Onkologie/Hämatologie). Denn bei Verdacht auf einen solchen Tumor sind umfangreiche Untersuchungen und die Zusammenarbeit von Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen notwendig, um festzustellen, ob tatsächlich ein ZNS-Tumor vorliegt und, wenn ja, um welche Art von Tumor es sich handelt und wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Die Klärung dieser Fragen ist Voraussetzung für eine optimale Behandlung und Prognose des Patienten.
Untersuchungen zur Diagnosesicherung
Zur Diagnosestellung eines Pineoblastoms führen – nach erneuter sorgfältiger Anamnese und körperlicher Untersuchung – zunächst bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT) mit und ohne Kontrastmittel und gelegentlich auch die Computertomographie (CT). Mit Hilfe dieser Methoden lässt sich genau feststellen, ob ein Tumor und gegebenenfalls Metastasen im Gehirn oder Rückenmarkskanal vorliegen. Auch Lage und Größe des Tumors, seine Abgrenzung zu Nachbarstrukturen sowie ein Hydrocephalus sind sehr gut sichtbar.
Um die Diagnose allerdings endgültig zu sichern, muss in jedem Fall eine Gewebeprobe des Tumors operativ entnommen und auf ihre feingeweblichen (histologischen) und molekularen Eigenschaften untersucht werden. In der Regel wird das bei der Operation gewonnene Tumorgewebe für die Diagnosestellung verwendet.
Der Umfang der histologischen und, vor allem, der molekulargenetischen Untersuchungen hat sich in den letzten Jahren stark erweitert. Durch den Einsatz moderner Methoden lassen sich molekulare Gewebeeigenschaften bestimmen, die zum einen die Diagnose für den Patienten noch sicherer machen, zum anderen auch Auskunft über den zu erwarteten Krankheitsverlauf (zum Beispiel Wachstumsverhalten) geben können.
Untersuchungen zur Ausbreitung der Erkrankung
Bestätigt sich der Verdacht auf ein Pineoblastom, sind zusätzliche Untersuchungen erforderlich, um die Ausbreitung der Erkrankung im Zentralnervensystem zu bestimmen. Eine MRT des gesamten Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark) beispielsweise dient der Suche nach makroskopisch sichtbaren Metastasen; mit einer mikroskopischen Untersuchung der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) wird geprüft, ob Tumorzellen (die mittels MRT nicht zu sehen sind) im Rückenmarkskanal vorliegen. Die Liquorgewinnung erfolgt meist nach der Operation durch eine Punktion im Bereich der Lendenwirbelsäule (Lumbalpunktion). Dort ist der Raum, der das Nervenwasser enthält, am besten zu erreichen.
Untersuchungen vor Beginn der Behandlung
Behandlungsvorbereitend können weitere Untersuchungen hinzukommen, zum Beispiel eine Überprüfung der Herzfunktion mittels Elektrokardiographie (EKG) und/oder Echokardiographie. Umfangreiche Blutuntersuchungen dienen dazu, den Allgemeinzustand des Patienten zu überprüfen und festzustellen, ob die Funktionen einzelner Organe (zum Beispiel Nieren und Leber) beeinträchtigt sind oder Stoffwechselstörungen vorliegen, die vor oder während der Therapie besonders berücksichtigt werden müssen.
Auch die Funktion der Hormondrüsen wird überprüft, um eine Störung durch den Tumor oder durch die Behandlung einschätzen und gegebenenfalls behandeln zu können. Aus demselben Grund können vor Behandlungsbeginn auch neuropsychologische Untersuchungen erfolgen [siehe Neuropsychologie]. Veränderungen, die möglicherweise im Laufe der Therapie auftreten, können anhand solcher Ausgangsbefunde und regelmäßiger Kontrolluntersuchungen zeitig erkannt und besser beurteilt werden.
Im Hinblick auf eventuell notwendig werdende Bluttransfusionen erfolgt eine Bestimmung der Blutgruppe erfolgen. Bei Mädchen im geschlechtsreifen Alter (ab der ersten Monatsblutung), muss vor Beginn der Behandlung eine Schwangerschaft ausgeschlossen werden.
Gut zu wissen: Nicht alle Untersuchungen sind bei jedem Patienten notwendig. Andererseits können eventuell Untersuchungen hinzukommen, die hier nicht erwähnt wurden. Fragen Sie Ihren behandelnden Arzt oder das Behandlungsteam, welche Untersuchungen bei Ihrem Kind geplant sind und warum die jeweilige Untersuchung erforderlich ist.
Therapieplanung
Wenn die Diagnose feststeht, erfolgt die Therapieplanung. Um eine möglichst individuelle, auf die Krankheitssituation und das Rückfallrisiko des Patienten zugeschnittene (risikoadaptierte) Behandlung durchführen zu können, berücksichtigt das Behandlungsteam bei der Planung bestimmte Faktoren, die die Prognose des Patienten beeinflussen (so genannte Risiko- oder Prognosefaktoren).
Wichtige Prognosefaktoren bei Patienten mit einem Pineoblastom sind zum einen die Art, Lage, Ausdehnung und/oder Streuung des Tumors, die anhand der beschriebenen Diagnoseverfahren ermittelt werden. Außerdem haben die biologischen (molekularen) Merkmale eines Tumors einen zunehmenden Einfluss darauf, welche Therapie für die jeweilige Erkrankung als die optimale angesehen wird. Darüber hinaus spielen das Alter und der Gesundheitszustand des Patienten eine wichtige Rolle. Das Alter zum Zeitpunkt der Diagnose ist vor allem ausschlaggebend dafür, ob eine Strahlenbehandlung erfolgen kann oder nicht. All diese Faktoren fließen in die Behandlungsplanung ein mit dem Ziel, für jeden Patienten das jeweils bestmögliche Behandlungsergebnis zu erreichen.
Einteilung der Pinealistumoren (Klassifikation)
Das Pineoblastom gehört zur Gruppe der so genannten Pinealistumoren. Im Bereich der Pinealis (Zirbeldrüse), können verschiedene Tumortypen auftreten, die sich sowohl hinsichtlich ihres Erscheinungsbildes unter dem Mikroskop, also feingeweblich (histologisch), als auch hinsichtlich ihrer molekularen Gewebeeigenschaften voneinander unterscheiden und zum Teil auch mit unterschiedlichen Prognosen für die Patienten einhergehen. Das Pineoblastom, der häufigste Tumor im Bereich der Zirbeldrüse, wird von der Weltgesundheitsorganisation (englisch: World Health Organization, WHO) als hochgradig bösartig eingestuft.
Entsprechend der aktuellen Einteilung der Weltgesundheitsorganisation für Tumoren des Zentralnervensystems (WHO-Klassifikation 2021) werden folgende Pinealistumoren unterschieden:
- Pineoblastom (ZNS-WHO-Grad 4)
- Papillärer Tumor der Pinealisregion (PTPR) (ZNS-WHO-Grad 2 oder 3)
- Pineal-parenchymatöser Tumor mit intermediärer Differenzierung (ZNS-WHO Grad 2 oder 3)
Papilläre Tumoren der Pinealisregion und pineal-parenchymatöse Tumoren mit intermediärer Differenzierung sind (mit ZNS-WHO-Grad 2 oder 3) weniger hochgradig bösartig als das Pineoblastom, kommen aber äußerst selten bei Kindern und Jugendlichen vor.
Therapie
Die Behandlung eines Patienten mit Pineoblastom sollte unbedingt in einer kinderonkologischen Behandlungseinrichtung erfolgen. Dort ist das hoch qualifizierte Fachpersonal (Ärzte, Fachpflegekräfte) auf die Behandlung krebskranker Kinder spezialisiert und mit den modernsten Therapieverfahren vertraut. Die Ärzte dieser Klinikabteilungen stehen in fachorientierten Arbeitsgruppen in ständiger, enger Verbindung miteinander und behandeln ihre Patienten nach gemeinsam entwickelten und stetig weiter verbesserten Therapieplänen. Ziel der Behandlung ist, eine hohe Heilungsrate zu erreichen und gleichzeitig die Nebenwirkungen und Spätfolgen so gering wie möglich zu halten.
Als Therapieverfahren stehen die Operation sowie die Chemotherapie und, altersabhängig, die Strahlentherapie zur Verfügung. Bei ausgewählten Patienten kann auch eine Hochdosis-Chemotherapie mit anschließender autologer Stammzelltransplantation zum Einsatz kommen.
Pineoblastome sind sehr seltene Erkrankungen, deren Therapien konstant weiterentwickelt werden. Die im Anschluss vorgestellten Therapieoptionen basieren auf Empfehlungen der Studien-/Registerzentrale, die aber im Einzelfall individuell diskutiert werden müssen. Sie erheben an dieser Stelle keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Wie die Behandlung beim einzelnen Patienten genau abläuft, entscheidet der behandelnde Arzt im Gespräch mit den Patienten beziehungsweise deren Angehörigen.
Operation
Der erste Schritt bei der Behandlung eines Pineoblastoms ist die Operation. Sie zielt darauf ab, den Tumor „operationsmikroskopisch“ vollständig zu entfernen und dabei möglichst wenig gesundes Hirngewebe zu verletzen. Von einer vollständigen Entfernung spricht man, wenn am Ende der Operation mit dem Operationsmikroskop kein Tumor mehr zu sehen ist. Bei Patienten mit Pineoblastom gelingt die vollständige Tumorentfernung aufgrund der Lage des Tumors allerdings oft nicht.
Durch den chirurgischen Eingriff können bei der Mehrzahl der Patienten eventuell bestehende Abflussstörungen der Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) behoben werden. Liegt ein Wasserkopf (Hydrocephalus) vor, ist unter Umständen bereits vor der eigentlichen Tumoroperation ein operativer Eingriff notwendig, um den Liquorfluss zu normalisieren. Bei manchen Patienten ist auch die Anlage eines bleibenden Drainagesystems erforderlich.
Nicht-chirurgische Weiterbehandlung
Da Pineoblastome infiltrativ in benachbartes Gewebe hineinwachsen und zudem oft über das Liquorsystem in andere Bereiche des Zentralnervensystems streuen, reicht die alleinige Behandlung des sichtbaren Tumors in der Regel nicht aus, um den Patienten zu heilen. An die Operation schließt sich daher eine nicht-chirurgische Therapie, bestehend aus Chemotherapie und zum Teil Strahlentherapie, an.
Bei der Chemotherapie werden zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) verabreicht, die darauf abzielen, Krebszellen in ihrem Wachstum zu stoppen oder zu vernichten. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit mehreren Zytostatika gleichzeitig, um eine möglichst große Wirkung gegen die bösartigen Zellen zu erzielen. Als Medikamente kommen zum Beispiel Carboplatin, Etoposid, Methotrexat, Vincristin, Cyclophosphamid, Lomustin, Cisplatin und/oder Temozolomid zum Einsatz.
Eine Strahlentherapie erfolgt mit energiereichen, elektromagnetischen Strahlen, die von außen durch die Haut auf die betroffene Region eingestrahlt werden. Sie verursachen Schäden im Erbgut der Tumorzellen und führen dadurch zu deren Absterben. Moderne Bestrahlungstechniken, wie die so genannte intensitätsmodulierte Radiotherapie (IMRT), sorgen dafür, Strahlenschäden an gesundem Gewebe zu minimieren. In geeigneten Fällen kann anstelle der Strahlentherapie (mit Photonen) auch eine Bestrahlung mit Protonen vorteilhaft sein. Die Protonentherapie wirkt noch zielgerichteter und schonender und gewinnt daher eine immer größere Bedeutung bei der Behandlung von Tumoren im Kindes- und Jugendalter.
Die Entscheidung über die genaue Art der Therapie (Behandlungsmethoden, Art und Intensität der Chemo-/Strahlentherapie) richtet sich nach dem Alter des Patienten, der feingeweblichen (histologischen) und molekularen Art des Tumors, bestimmten biologischen (genetischen) Risikofaktoren und dem Vorhandensein von Metastasen. Des Weiteren wird berücksichtigt, ob der Tumor bei der Operation vollständig entfernt werden konnte oder nicht (siehe auch Kapitel „Therapieplanung“).
Im Folgenden erhalten Sie einen Überblick über mögliche Behandlungsoptionen.
Behandlungsoptionen bei Patienten mit Pineoblastom
Patienten mit einem nicht-metastasierten Pineoblastom, die über vier Jahre alt sind, erhalten nach einer maximal möglichen Tumorentfernung in aller Regel zunächst eine Bestrahlung des gesamten Zentralnervensystems (kraniospinale Bestrahlung), gefolgt von einer zusätzlichen Bestrahlung der Tumorregion. Im Anschluss erfolgt eine so genannte Erhaltungschemotherapie, bei der mehrere Zytostatika zum Einsatz kommen. Bei einer metastasierten Erkrankung wird die Behandlung intensiviert, zum Beispiel durch die Verabreichung höherer Strahlendosen und einer vorgeschalteten zusätzlichen Chemotherapie (Induktionschemotherapie).
Bei Kindern unter vier Jahren wird versucht, auf eine Strahlentherapie zu verzichten oder diese zu verzögern, um das Risiko schwerwiegender Spätfolgen zu minimieren. An Stelle der Strahlentherapie wird nach der Operation eine Chemotherapie mit mehreren Medikamenten durchgeführt. Zum Teil kann zu einem späteren Zeitpunkt noch eine Strahlentherapie erfolgen. Bei manchen Patienten können auch eine Hochdosis-Chemotherapie und eine daran anschließende autologe Stammzelltransplantation in Frage kommen, um die Überlebenschancen zu erhöhen.
Behandlungsoptionen bei anderen Pinealistumoren
Für Patienten, die im Kindes- und Jugendalter an einem Papillären Tumor der Pinealisregion oder einem Pineal-parenchymatösem Tumor mit intermediärer Differenzierung erkranken (siehe Kapitel „Therapieplanung – Klassifikation“), gibt es keine Standardtherapien. Bei diesen Tumortypen handelt es sich um extrem seltene Erkrankungen. Therapeutische Strategien müssen individuell bestätigt werden.
Wichtig zu wissen: Wie die Behandlung beim einzelnen Patienten genau abläuft, entscheidet der behandelnde Arzt im Gespräch mit den Patienten beziehungsweise deren Angehörigen. Die Studien-/Registerzentrale unterstützt bei Bedarf die Behandlungseinrichtung bei der Wahl der jeweils optimalen Therapie.
Therapieoptimierungsstudien
und Register
Kinder und Jugendliche mit einem Pineoblastom sowie mit Rückfall (Rezidiv) dieses Tumors werden in Deutschland in der Regel individualisiert behandelt und im Rahmen von Registerstudien beobachtet. Wo verfügbar, wird gemeinsam mit den Patienten und/oder deren Angehörigen die Teilnahme an Therapieoptimierungsstudien oder Frühphasestudien (Phase-I-/-II-Studien, in Kooperation mit der pharmazeutischen Industrie) in Erwägung gezogen. Für das Auffinden geeigneter Frühphasestudien gibt es in Deutschland verschiedene Frühphase-Netzwerke.
Therapieoptimierungsstudien sind kontrollierte klinische Studien, die das Ziel haben, erkrankte Patienten nach dem jeweils aktuellsten Wissensstand zu behandeln und gleichzeitig die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern und weiter zu entwickeln.
Patienten, die an keiner Studie teilnehmen, entweder weil zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung keine Studie verfügbar ist oder weil sie die Einschlusskriterien einer bestehenden Studie nicht erfüllen, werden oft in einem so genannten Register dokumentiert. Diese dienen zunächst dazu, die Therapie der Patienten wissenschaftlich zu begleiten. Zur Sicherung der optimalen Behandlung verfasst darüber hinaus die jeweilige Studiengruppe in der Regel detaillierte Empfehlungen und berät die behandelnden Ärzte bei der Auswahl der optimalen Therapie für den einzelnen Patienten.
Derzeit stehen folgende Register zur Verfügung:
- I-HIT-MED Register: Für Patienten mit Pineoblastom steht die Aufnahme in das internationale I-HIT-MED-Register (International HIT-MED Registry) offen. Für die Teilnahme am I-HIT-MED Register spielt es keine Rolle, welche Art der Therapie gegeben wird; das Ziel des Registers ist nicht, eine bestimmte Therapie zu bewerten. Das Register befindet sich unter der Leitung der HIT-MED-Studienzentrale an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Ham-burg-Eppendorf (Studienleiter Prof. Dr. med. Stefan Rutkowski).
Prognose
Die Heilungsaussichten (Prognose) von Kindern und Jugendlichen mit einem Pineoblastom liegen insgesamt bei circa 60–70 %. Die Prognose für den einzelnen Patienten hängt allerdings von verschiedenen Faktoren ab. Insbesondere spielen das Krankheitsstadium und das Alter des Patienten eine starke Rolle. So haben Kinder und Jugendliche mit metastasierter Erkrankung in der Regel ungünstigere Heilungsaussichten als Patienten mit lokalisierter Erkrankung. Bei jungen Patienten, die im Rahmen der Behandlung keine Strahlentherapie erhalten können, ist die Prognose deutlich schlechter, während bei älteren Kindern mit nicht-metastasierter Erkrankung auch Heilungsraten von über 80 % beschrieben sind.
Anmerkung: Bei den oben genannten Überlebensraten für Patienten mit Pineoblastom handelt es sich um statistische Größen. Sie stellen nur für die Gesamtheit der an dieser Form der Hirntumoren erkrankten Patienten eine wichtige und zutreffende Aussage dar. Ob der einzelne Patient geheilt werden kann oder nicht, lässt sich aus der Statistik nicht vorhersagen.
Der Begriff Heilung muss hier vor allem als „Tumorfreiheit“ verstanden werden. Denn auch wenn die heute verfügbaren Therapiemethoden zu langfristiger Tumorfreiheit führen können, so sind sie doch meist auch mit unerwünschten Nebenwirkungen und Spätschäden verbunden, die in der Regel eine intensive Rehabilitation und eine langfristige medizinische Betreuung erforderlich machen.
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