Choroid-Plexus-Tumoren (CPT) – Kurzinformation
Choroid-Plexus-Tumoren (auch Plexus choroideus-Tumoren genannt) sind sehr seltene Tumoren des Zentralnervensystems (ZNS-Tumoren). In diesem Text erhalten Sie Information zu Krankheitsbild, Häufigkeit, möglichen Ursachen und Symptomen sowie zu Diagnose, Therapieplanung, Behandlung und Prognose der Erkrankung.
Autor: Maria Yiallouros, Redaktion: Maria Yiallouros, Freigabe: PD Dr. Uwe Kordes, Dr. rer. nat. Stefan Hartung, Dr. med. Denise Obrecht, Zuletzt geändert: 26.01.2024 https://kinderkrebsinfo.de/doi/e202579
Inhaltsverzeichnis
Krankheitsbild
Tumoren des Plexus choroideus, auch Choroid-Plexus-Tumoren (CPT) oder, kurz Plexustumoren, genannt, sind sehr seltene Tumoren des Zentralnervensystems (ZNS). Sie entstehen durch Wucherung des Adergeflechts der Hirnkammern (Hirnventrikel), dem so genannten Plexus choroideus. Am häufigsten betroffen sind die beiden Seitenventrikel im Großhirn, aber auch der III. Ventrikel im Bereich des Zwischenhirns, der IV. Ventrikel im Hirnstamm oder der Kleinhirnbrückenwinkel können Ausgangspunkt des Tumorwachstums sein.
Es gibt sowohl gutartige als auch bösartige Choroid-Plexus-Tumoren. Je nach Grad der Bösartigkeit, der durch den WHO-Grad (gemäß WHO-Klassifikation) ausgedrückt wird, unterscheidet man zwischen:
- gutartigen Choroidplexuspapillomen (CPP, WHO-Grad I)
- mittelgradig bösartigen atypischen Choroidplexuspapillomen (APP, WHO-Grad II)
- höhergradig bösartigen Choroidplexuskarzinomen (CPC, WHO-Grad III)
Die genannten Formen treten mit gleicher Häufigkeit auf. Während Plexuspapillome (WHO-Grad I und II) nur innerhalb der Hirnventrikel wachsen, neigt das bösartige Plexuskarzinom dazu, in umliegendes Hirngewebe einzudringen. Allerdings können sich bei allen Plexustumoren, also nicht nur bei Plexuskarzinomen, Tumorzellen über die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Nervenwasser, Liquor) im Liquorraum ausbreiten und so auch zur Bildung von Tochtergeschwülsten (Metastasen) in anderen Bereichen des Gehirns und/oder im Rückenmark führen.
Choroid-Plexus-Tumoren fallen – bedingt durch ihre Herkunft – oft durch den begleitenden Wasserkopf (Hydrocephalus) auf (siehe Abschnitt „Symptome“).
Häufigkeit
Choroid-Plexus-Tumoren treten sehr selten auf; sie machen insgesamt nur etwa 2 % der ZNS-Tumoren und 0,5 % aller bösartigen Erkrankungen im Kindes- und Jugendalter aus. Am häufigsten sind Kleinkinder, vor allem im ersten Lebensjahr, selten aber auch Jugendliche oder Erwachsene betroffen. Das mittlere Erkrankungsalter in der Altersgruppe der 0-17-Jährigen liegt bei etwa 2 Jahren.
In Deutschland erkranken nach Angaben des Deutschen Kinderkrebsregisters (Mainz) jährlich etwa 10 Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren neu an einem Plexustumor. Dies entspricht einer Häufigkeit von etwa 1 Neuerkrankung pro 1.000.000 Kinder und Jugendliche (über alle Altersgruppen). Im frühesten Lebensalter, in dem die Choroid-Plexus-Tumoren ihren Häufigkeitsgipfel haben, ist ihr Anteil an den ZNS-Tumoren deutlich höher: Bei Kindern im ersten Lebensjahr liegt er bei bis zu 13 %.
Ursachen
Choroid-Plexus-Tumoren entstehen durch eine Veränderung (Entartung) von Zellen des Adergeflechts in den Hirnkammern. Die Ursache für diese Veränderung ist noch weitgehend ungeklärt. Bekannt ist, dass Kinder und Jugendliche mit bestimmten angeborenen genetischen Syndromen, insbesondere einem Li-Fraumeni-Syndrom, ein deutlich erhöhtes Risiko haben, an einem Choroid-Plexus-Tumor zu erkranken. Dabei handelt es sich dann meist um ein Plexuskarzinom. Aufgrund der Veranlagung für Tumoren werden solche genetisch bedingten Krankheitsbilder auch als Krebsprädispositionssyndrome bezeichnet. Häufig tritt die Erkrankung jedoch auf, ohne dass ein Zusammenhang mit einer erblichen Erkrankung erkennbar ist.
Abgesehen von erblichen Faktoren werden in den Zellen von Choroid-Plexus-Tumoren (vor allem Plexuskarzinomen) häufig Veränderungen bestimmter Gene oder Chromosomen beobachtet. Daraus resultierende Störungen der weiteren Zellentwicklung und Zellkommunikation können ursächlich daran beteiligt sein, dass aus einer gesunden Zelle eine Krebszelle wird. Generell werden solche im Tumorgewebe nachweisbaren Genveränderungen aber nicht vererbt und entstehen höchstwahrscheinlich schon zu einem sehr frühen Zeitpunkt in der Entwicklung.
Symptome
Das Adergeflecht der Hirnventrikel hat unter anderem die Aufgabe, die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (Liquor) zu bilden, welche das Gehirn und Rückenmark vor Verletzungen schützt und mit Nährstoffen versorgt. Da Choroid-Plexus-Tumoren aus diesem Gewebe hervorgehen, können auch sie diese Flüssigkeit bilden, und zwar, entsprechend ihres Volumens, in so großen Mengen, dass ein so genannter "Wasserkopf" (Hydrocephalus) entsteht. Letzterer kann auch durch den Tumor selbst verursacht werden, wenn dieser innerhalb der Hirnkammern die Liquorzirkulation und/oder den Liquorabfluss behindert.
Altersabhängig können infolge der erhöhten Liquorproduktion weitere Symptome auftreten:
- Bei Babys und Kleinkindern mit noch offener Knochenlücke im Schädeldach (Fontanelle) kann es zu einem abnormen Kopfwachstum, einem so genannten Makrocephalus, kommen. Auch Wesensveränderungen, Gedeihstörungen, neurologische Symptome (zum Beispiel Kopfschiefhaltung, Einwärtsschielen) oder auch Symptome der Übererregbarkeit, wie schrilles Schreien ohne nachvollziehbaren Grund, können auf einen Hirntumor hinweisen.
- Bei Kindern, deren Fontanelle bereits geschlossen ist, führen der Tumor und/oder das überschüssige Nervenwasser zu einem erhöhten Druck im Schädelinneren, der zum Beispiel mit Kopf- und/oder Rückenschmerzen, Schwindelgefühlen, Appetitlosigkeit, Übelkeit und Erbrechen (bei einem Hirntumor typischerweise unabhängig von der Nahrungsaufnahme [Nüchternerbrechen] und oft morgens und im Liegen), Gewichtsverlust, zunehmender Müdigkeit, Leistungsknick, Konzentrationsstörungen und Wesensveränderungen einhergehen kann.
Je nachdem, wo der Tumor im Zentralnervensystem wächst und welche Aufgabenzentren er dort beeinträchtigt, können darüber hinaus „ortsspezifische“ Symptome beobachtet werden. So kann ein Tumor im Bereich des Großhirns oder Zwischenhirns zum Beispiel mit Lähmungserscheinungen oder Krampfanfällen einhergehen, während ein Tumor im Bereich von Kleinhirn oder Hirnstamm unter anderem Gleichgewichts- oder Bewegungsstörungen hervorrufen kann. Der untersuchende Arzt kann anhand solcher Symptome einen Hinweis auf die Lage des Tumors erhalten.
Gut zu wissen: Das Auftreten eines oder mehrerer dieser Krankheitszeichen muss nicht bedeuten, dass ein Choroid-Plexus-Tumor oder ein anderer Hirntumor vorliegt. Viele der genannten Symptome können auch bei vergleichsweise harmlosen Erkrankungen auftreten, die mit einem Hirntumor nichts zu tun haben. Bei entsprechenden Beschwerden (zum Beispiel immer wiederkehrenden Kopfschmerzen, bei kleinen Kindern auch bei einer unverhältnismäßig schnellen Zunahme des Kopfumfanges) ist es jedoch ratsam, so bald wie möglich einen Arzt zu konsultieren, um die Ursache zu klären. Liegt tatsächlich ein Hirntumor vor, muss schnellstmöglich mit der Therapie begonnen werden.
Diagnose
Findet der (Kinder-)Arzt durch Krankheitsgeschichte (Anamnese) und körperliche Untersuchung Hinweise auf einen bösartigen Tumor des Zentralnervensystems (ZNS), wird er den Patienten in ein Krankenhaus überweisen, das auf Krebserkrankungen bei Kindern und Jugendlichen spezialisiert ist (Klinik für pädiatrische Onkologie/Hämatologie). Denn bei Verdacht auf einen solchen Tumor sind umfangreiche Untersuchungen und die Zusammenarbeit von Spezialisten unterschiedlicher Fachrichtungen notwendig, um festzustellen, ob tatsächlich ein ZNS-Tumor vorliegt und, wenn ja, um welche Art von Tumor es sich handelt und wie weit die Erkrankung fortgeschritten ist. Die Klärung dieser Fragen ist Voraussetzung für eine optimale Behandlung und Prognose des Patienten.
Untersuchungen zur Diagnosesicherung
Zur Diagnosestellung eines Choroid-Plexus-Tumors führen – nach erneuter sorgfältiger Anamnese und körperlicher sowie neurologischer Untersuchung – zunächst bildgebende Verfahren wie die Magnetresonanztomographie (MRT). Mit Hilfe dieser Methoden lässt sich genau feststellen, ob ein Tumor des Zentralnervensystems vorliegt. Auch Lage und Größe des Tumors, seine Abgrenzung zu Nachbarstrukturen sowie möglicherweise vorliegende Metastasen im Gehirn oder Rückenmarkskanal sind sehr gut sichtbar.
Findet sich bei einem Säugling oder Kleinkind bei der MRT ein stark kontrastmittelangereicherter Tumor innerhalb der Hirnventrikel (die MRT erfolgt zu diesem Zweck mit einem Kontrastmittel), besteht Verdacht auf einen Choroid-Plexus-Tumor. Die endgültige Sicherung der Diagnose ist nur durch die feingewebliche (histologische) Untersuchung einer Gewebeprobe möglich. Die Entnahme der Gewebeprobe erfolgt im Rahmen eines neurochirurgischen Eingriffes (Operation), der in der Regel auch der Tumorentfernung dient (siehe Kapitel „Behandlung“).
Untersuchungen zur Ausbreitung der Erkrankung
Bestätigt sich der Verdacht auf einen Choroid-Plexus-Tumor, sind zusätzliche Untersuchungen erforderlich, um die Ausbreitung der Erkrankung im Zentralnervensystem (das Krankheitsstadium) zu bestimmen. Dazu wird, abgesehen von einer MRT des gesamten Zentralnervensystems (Gehirn und Rückenmark), auch die Gehirn-Rückenmark-Flüssigkeit (der Liquor) auf Tumorzellen untersucht. Für die Liquorgewinnung erfolgt meist eine Punktion im Bereich der Lendenwirbelsäule (Lumbalpunktion). Dort ist der Raum, der das Nervenwasser enthält, am besten zu erreichen.
Referenzdiagnostik
Um die Qualität der Diagnostik zu sichern, wird empfohlen, dass der behandelnde Arzt die MRT-Bilder sowie den Liquor durch einen zweiten Experten (Referenzexperten) beurteilen lässt. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass eine fehlerhafte Einschätzung der Krankheitsausbreitung die Therapieplanung beeinflusst.
Untersuchungen vor Beginn der Behandlung
Behandlungsvorbereitend können weitere Untersuchungen hinzukommen, zum Beispiel eine Überprüfung der Herzfunktion mittels Elektrokardiographie (EKG) und/oder Echokardiographie. Umfangreiche Blutruntersuchungen dienen dazu, den Allgemeinzustand des Patienten zu überprüfen und festzustellen, ob die Funktionen einzelner Organe (zum Beispiel Nieren und Leber) beeinträchtigt sind oder Stoffwechselstörungen vorliegen, die vor oder während der Therapie besonders berücksichtigt werden müssen. Veränderungen, die möglicherweise im Laufe der Therapie auftreten, können anhand solcher Ausgangsbefunde und regelmäßiger Kontrolluntersuchungen zeitig erkannt und besser beurteilt werden.
Therapieplanung
Wenn die Diagnose feststeht, erfolgt die Therapieplanung. Um eine möglichst individuelle, auf die Krankheitssituation und das Rückfallrisiko des Patienten zugeschnittene (risikoadaptierte) Behandlung durchführen zu können, berücksichtigt das Behandlungsteam bei der Planung bestimmte Faktoren, die die Prognose des Patienten beeinflussen (so genannte Risiko- oder Prognosefaktoren).
Der wichtigste Prognosefaktor ist die Art des Choroid-Plexus-Tumors, an der der Patient erkrankt ist. Sie gibt Auskunft über das voraussichtliche Wachstumsverhalten und somit die Bösartigkeit des Tumors (WHO-Grad, siehe Abschnitt „Krankheitsbild“) und hat daher einen wesentlichen Einfluss darauf, welche Therapie als jeweils optimal angesehen wird. Auch der Nachweis/Ausschluss eines Li-Fraumeni-Syndroms ist wichtig, da diese Erkrankung als ungünstiger Prognosefaktor gilt und auch andere Familienmitglieder betroffen sein können. Abgesehen davon gibt es in diesem Fall auch besondere Empfehlungen zur Weiterbehandlung und zur Nachsorge.
Weitere Prognosefaktoren sind die Lage, Größe und Ausbreitung des Tumors, das Ausmaß der Tumorentfernung im Rahmen einer Operation und das Ansprechen der Erkrankung auf eine Chemo- und/oder Strahlentherapie. Darüber hinaus spielen auch das Alter und der Gesundheitszustand des Patienten eine wichtige Rolle. Das Alter zum Zeitpunkt der Diagnose ist unter anderem ausschlaggebend dafür, ob eine Strahlenbehandlung erfolgen kann oder nicht. Alle Faktoren fließen in die Behandlungsplanung ein mit dem Ziel, für jeden Patienten das jeweils bestmögliche Behandlungsergebnis zu erreichen.
Behandlung
Die Behandlung eines Patienten mit Choroid-Plexus-Tumor muss in einer kinderonkologischen Behandlungseinrichtung erfolgen. Dort ist das hoch qualifizierte Fachpersonal (Ärzte, Fachpflegekräfte) auf die Behandlung krebskranker Kinder spezialisiert und mit den modernsten Therapieverfahren vertraut. Die Ärzte dieser Klinikabteilungen stehen in fachorientierten Arbeitsgruppen in ständiger, enger Verbindung miteinander und behandeln ihre Patienten nach gemeinsam entwickelten und stetig weiter verbesserten Therapieplänen. Ziel der Behandlung ist, eine hohe Heilungsrate zu erreichen und gleichzeitig die Nebenwirkungen und Spätfolgen so gering wie möglich zu halten.
Für Patienten mit einem Choroid-Plexus-Tumor stehen als Therapieverfahren die Operation sowie die Chemotherapie und, altersabhängig, die Strahlentherapie zur Verfügung.
Wichtige Anmerkung: Die im Anschluss vorgestellten Therapieoptionen basieren unter anderem auf den Erfahrungen und Ergebnissen der in 2010 beendeten Therapiestudie CPT-SIOP 2000 (siehe auch Kapitel „Studien und Register“), die innerhalb der Hirntumorgruppe der Europäischen Gesellschaft für Pädiatrische Onkologie (SIOP-E BTG) ausgewertet wurden. Es handelt sich um Empfehlungen der Studien-/Registerzentrale. Wie die Behandlung beim einzelnen Patienten genau abläuft, entscheidet der behandelnde Arzt im Gespräch mit den Patienten beziehungsweise deren Angehörigen.
Operation
Der erste und wichtigste Schritt bei der Behandlung eines Patienten mit Choroid-Plexus-Tumor ist die Operation. Sie zielt darauf ab, den Tumor – unter Berücksichtigung des jeweiligen Operationsrisikos (risikoadaptiert) – möglichst vollständig zu entfernen, denn das Ausmaß der neurochirurgischen Tumorentfernung [Neurochirurgie] kann den anschließenden Krankheitsverlauf beeinflussen. Aus diesem Grund kann gegebenenfalls nach der feingeweblichen Diagnose eine weitere Operation erwogen werden, um eventuell noch verbliebene Tumorreste zu entfernen.
Beobachtung oder nicht-chirurgische Weiterbehandlung
Im Anschluss an die Operation besteht, je nach Krankheitssituation, die Möglichkeit, den weiteren Krankheitsverlauf abwartend zu beobachten oder mit einer nicht-chirurgischen Therapie fortzufahren. Welche Option für sinnvoll erachtet wird, hängt von der Art des Tumors, dem Krankheitsstadium zum Zeitpunkt der Diagnose und vom Operationsergebnis ab.
Beobachtung
Patienten mit einem nicht-metastasierten klassischen Plexuspapillom (CPP, WHO-Grad I) und Patienten mit vollständig operiertem atypischen Plexuspapillom (APP, WHO-Grad II) werden nach der Operation zunächst nicht weiter behandelt. Allerdings wird der Krankheitsverlauf der Patienten im Rahmen von Kontrolluntersuchungen (mittels Magnetresonanztomographie) weiter beobachtet. Eine erneute Behandlung erfolgt nur dann, wenn ein erneutes Tumorwachstum festgestellt wird. In vielen Fällen kann mit einer alleinigen Operation eine Heilung erzielt werden.
Nicht-chirurgische Weiterbehandlung
Bei Patienten mit einem metastasierten Plexuspapillom (CPP, WHO-Grad I), einem unvollständig entfernten atypischen Plexuspapillom (APP, WHO-Grad II) oder einem Plexuskarzinom (CPC, WHO-Grad III) reicht der chirurgische Eingriff nicht aus. Da das Risiko, dass der Tumor weiterwächst oder es zu einem Krankheitsrückfall kommt, sehr groß ist, schließt sich an die Operation eine nicht-chirurgische Behandlung, bestehend aus Chemotherapie, und gegebenenfalls Strahlentherapie, an.
Bei der Chemotherapie werden zellwachstumshemmenden Medikamenten (Zytostatika) verabreicht, die darauf abzielen, Krebszellen in ihrem Wachstum zu stoppen oder zu vernichten. Eine Strahlentherapie erfolgt mit energiereichen, elektromagnetischen Strahlen, die von außen durch die Haut auf die betroffene Region eingestrahlt werden. Sie verursachen Schäden im Erbgut der Tumorzellen und führen dadurch zu deren Absterben. Statt der herkömmlichen Strahlentherapie kann auch eine Partikelbestrahlung mit Protonen (Protonentherapie) erfolgen, die noch zielgerichteter und schonender wirkt und daher eine immer größere Bedeutung bei der Behandlung von Tumoren im Kindes- und Jugendalter gewinnt.
Die Entscheidung über die genaue Art der Therapie richtet sich insbesondere nach dem Alter des Patienten zum Zeitpunkt der Diagnose sowie nach dem Tumortyp. Grundsätzlich erhalten alle Patienten, die nach der Operation einer weiteren Behandlung bedürfen, eine Chemotherapie. Ob eine anschließende Strahlentherapie sinnvoll ist, muss im Einzelfall geprüft werden.
Chemotherapie
Die Chemotherapie besteht in der Regel aus einer Kombination verschiedener Zytostatika (Polychemotherapie), die in mehreren Therapiezyklen verabreicht werden. Standard in Deutschland bei Choroid-Plexus-Tumoren ist derzeit eine Zytostatikakombination aus Carboplatin, Etoposid und Vincristin, die alle vier Wochen – insgesamt sechs Mal – als Infusion verabreicht wird. Je nach Krankheitssituation können sowohl weitere Blöcke als auch weitere Zytostatika hinzukommen; auch andere Zytostatikakombinationen, wie sie zum Beispiel in Nordamerika angewendet werden, sind möglich. Die Medikamente werden als Infusion in eine Vene verabreicht (so genannte systemische Chemotherapie).
In Ausnahmefällen und bei einem Rückfall kann auch eine intraventrikuläre Zytostatikagabe zum Einsatz kommen, also eine Medikamentengabe direkt in das Nervenwasser der Hirnventrikel. Für die intraventrikuläre Chemotherapie muss im Rahmen einer kurzen neurochiurgischen Operation ein so genanntes Ommaya-Reservoir unter die Kopfhaut implantiert werden, über das anschließend nicht nur die Medikamente verabreicht werden, sondern auch Nervenwasser gewonnen werden kann.
Strahlentherapie
Ob und in welchem Ausmaß eine Strahlentherapie im Anschluss an die Chemotherapie angezeigt ist, muss für jeden einzelnen Patienten individuell festgelegt werden. Die Entscheidung für oder gegen eine Strahlenbehandlung hängt vor allem davon ab, ob der Tumor gut auf die Chemotherapie angesprochen hat und ob am Ende der Chemotherapie noch ein Tumorrest verblieben ist. Weitere Faktoren sind das Vorliegen von Metastasen zum Zeitpunkt der Diagnose und das Alter des Patienten. Patienten mit einem Li-Fraumeni-Syndrom profitieren meist nicht von einer Bestrahlung.
Behandlungsbegleitende Untersuchungen: Während der Behandlung wird in regelmäßigen Abständen mittels bildgebender Verfahren (wie Ultraschall und/oder Magnetresonanztomographie) und gegebenenfalls Liquorpunktion überprüft, wie die Erkrankung auf die Therapie anspricht. Auf diese Weise kann die Therapie gegebenenfalls an die jeweils aktuelle Krankheitssituation angepasst werden.
Studien und Register
Alle Kinder- und Jugendlichen, die in Deutschland an einem Tumor des Zentralnervensystems erkranken, werden in der Regel im Rahmen von klinisch kontrollierten Studien oder Registern behandelt. Die Studien haben das Ziel, erkrankte Patienten nach dem jeweils aktuellsten Wissensstand zu behandeln und gleichzeitig die Behandlungsmöglichkeiten zu verbessern und weiter zu entwickeln.
Patienten, die an keiner Studie teilnehmen, entweder weil zum Zeitpunkt ihrer Erkrankung keine Studie verfügbar ist oder weil sie die Einschlusskriterien einer bestehenden Studie nicht erfüllen, werden oft in ein so genannten Register aufgenommen. Ein solches Register dient zunächst dazu, die Patienten während der Dauer der Therapie und Nachsorge wissenschaftlich zu begleiten. Ergänzend verfasst die jeweilige Studiengruppe darüber hinaus zumeist detaillierte Empfehlungen und/oder berät die behandelnden Ärzte bei der Auswahl der optimalen Therapie für den einzelnen Patienten.
In Deutschland ist 2010 eine langjährige internationale Studie zur Behandlung von Kindern und Jugendlichen mit Choroidplexustumoren regulär beendet worden: die Studie CPT-SIOP 2000. Derzeit gibt es für betroffene Patienten noch keine offene Folgestudie. Diese ist jedoch in Planung und wird, aufgrund der Seltenheit der Erkrankung, gemeinsam mit Nordamerika durchgeführt werden. Alle neu erkrankten Patienten können bis dahin in das internationale CPT-SIOP-Register gemeldet werden.
Die aktuellen Therapieempfehlungen der Registerzentrale basieren auf den Ergebnissen der Studie CPT-SIOP 2000, den Ergebnissen internationaler Studien sowie auf den regelmäßigen Auswertungen der Registerdaten. Bei Bedarf können behandelnde Ärzte die Registerzentrale kontaktieren. Im Rahmen des ERN PaedCan-Projektes erfolgt momentan die Erstellung von europäisch einheitlichen Behandlungsrichtlinien. Die Behandlung steht letztendlich jedoch im Ermessen des behandelnden Arztes.
Die nationale CPT-Register- und Studienleitung für Deutschland befindet sich an der Kinderklinik des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf unter der Leitung von Dr. med. Denise Obrecht (siehe auch www.uke.de/cpt).
Prognose
Die Heilungsaussichten (Prognose) eines Patienten mit Choroid-Plexus-Tumor hängen insbesondere von der Tumorart ab, an der er erkrankt ist. Bei bösartigen Tumorformen spielen darüber hinaus die Tumorbiologie und die Ausbreitung des Tumors, also das Vorhanden- oder Nichtvorhandensein von Metastasen (Liquoraussaat), eine Rolle.
Patienten mit einem klassischem Plexuspapillom (CPP, WHO-Grad I) haben in der Regel eine sehr günstige Prognose mit 5-Jahres-Überlebensraten von bis zu 100 %. Auch Patienten mit atypischen Plexuspapillomen (APP) haben gute Heilungsaussichten: Die durchschnittliche 5-Jahres-Überlebensrate liegt – nach Angaben der CPT-SIOP Registerzentrale – bei etwa 95 %, wobei die Prognose für Kinder unter zwei Jahren etwas günstiger ist als die für Kinder über zwei Jahren (100 beziehungsweise 85 %).
Bei Patienten mit Plexuskarzinom (CPC) liegt die 5-Jahres-Überlebensrate nach einer Kombinationstherapie bei durchschnittlich etwa 60 %, ist aber sehr vom Erfolg der Operation und den Möglichkeiten der weiteren Krebstherapie sowie dem Vorhandensein einer bestimmten Genveränderung in den Tumorzellen (der so genannten TP53-Mutation) abhängig. Die Wahrscheinlichkeit eines Krankheitsrückfalles (Rezidiv) ist bei einem Plexuskarzinom jedoch generell relativ hoch. Nichtsdestotrotz gibt es eine ganze Reihe von Langzeitüberlebenden bei Patienten mit Plexuskarzinom, so dass die Diagnose nicht automatisch ein Todesurteil darstellt.
Anmerkung: Bei den genannten Überlebensraten handelt es sich um statistische Größen. Sie stellen nur für die Gesamtheit der an dieser Form der Hirntumoren erkrankten Patienten eine wichtige und zutreffende Aussage dar. Ob der einzelne Patient geheilt werden kann oder nicht, lässt sich aus der Statistik nicht vorhersagen.
Der Begriff Heilung muss hier vor allem als „Tumorfreiheit“ verstanden werden. Denn auch wenn die heute verfügbaren Therapiemethoden zu langfristiger Tumorfreiheit führen können, so können ein möglicherweise schädigendes Wachstum des Tumors und auch langfristige Nebenwirkungen der Therapie Spätschäden hervorrufen. Diese erfordern eine langfristige medizinische Betreuung, gegebenenfalls auch eine intensive Rehabilitation.
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